Der Ball rollt und die nächsten Wochen wird ein Thema vermutlich alles andere ausstechen: die Fußball-Europameisterschaft. Die Wettquoten sehen die Mannschaft aus Spanien als Sieger vor. In Deutschland dagegen ist beschlossene Sache, dass Jogis Jungs den Pokal holen – alles andere wäre nach herrschender Meinung ein bedauerlicher Irrtum der Geschichte (ähnlich wie der Abstieg des Effzeee aus der Domstadt). Aber spielen wir diesen unglaublichen Gedanken einmal durch. Angenommen, es gibt nicht genügend Elfmeterschießen. Natürlich wünscht sich dies kein ordentlicher deutscher Staatsbürger, und erst Recht keiner, der auch Fernseher oder Bier und Chips verkauft. Aber rein hypothetisch und zugegebener Maßen in unrealistischer Weise: Wenn nicht wir, wer dann?
Wie gesagt, die Wettquoten sprechen für Spanien. Aber bekanntlich reißt ja jede Serie einmal. Mit den Ausfällen von Carles Puyol und David Villa fehlen dem Titelverteidiger zwei wichtige Eckpfeiler der Mannschaft. Und für das Team und die Nation gilt, dass Erfolg bekanntlich überheblich macht und zu Kopf steigt – und das gönnen wir doch unseren spanischen Freunden nicht. Also, Spanien scheidet aus.
Gern genannt werden alternativ auch die Niederlande. Und seit sie so spielen, wie Deutschland früher (hässlich, hölzern und langweilig, siehe WM-Finale – aber recht erfolgreich) sind sie sogar ein ernstzunehmender Titelanwärter. Wenn da nur die Sache mit dem Elfmeterschießen nicht wäre (hallo Arjen, Dortmund, Chelsea…). Also scheiden die Niederlande aus dem Favoritenkreis aus – wie England, aus dem gleichen Grund (notfalls war der Latten-Ball halt nicht hinter der Linie).
Damit sind wir schon im Kreis der Geheimfavoriten, aus dem wir Frankreich sogleich wieder streichen können – die sind sicher nach dem WM-Desaster noch nicht soweit, selbst wenn dies Herrn Hollande sicher freuen würde. Emotional würde ich es Polen, der Ukraine und Griechenland sehr gönnen. Zumindest die beiden ersten haben sicher eine gute Mannschaft und werden – angefeuert durch das heimische Publikum – über sich hinaus wachsen. Dennoch kaum vorzustellen, dass es am Ende reicht (vor allem auch, dass die Nerven halten).
Die Griechen könnten es sicher für das nationale Selbstbewusstsein sehr gut gebrauchen. Aber die Buchmacher haben wohl leider Recht, wenn sie nur noch Irland ähnlich chancenlos einstufen. Theofanis Gekas alleine kann es kaum richten. Im Grunde haben die Probleme in Griechenland ja erst angefangen, als Rehakles 2010 als Nationaltrainer seinen Hut genommen hat. Eben jener Rehakles hat jetzt wieder Zeit (wenn er sich nicht um das griechische Präsidentenamt bewirbt). Doch auch dieser Joker wird wohl nichts helfen, seine letzte Rettungsmission war weder auf dem Platz noch am grünen Tisch erfolgreich…
Auch mit Irland wird es angesichts der Spielstärke (gegen Estland reichte ein mageres 1:1 in den Play-Offs der Qualifikation) wohl nichts werden – schade, jedes Interview des Nationaltrainers hat großes Entertainmentpotential. Vielleicht gibt es ja ein “Was erlauben, spielen wie Flasche leer”-Revival von Giovanni Trapattoni. Und wo wir gerade beim italienischen Temperament sind, können wir uns auch gleich kurz unserem Lieblingsgegner aus dem Land der Pizza und Pasta widmen. Eine für gewöhnlich gut unterrichtete Quelle berichtet, dass einige Spieler gegen einen italienischen Titel gewettet haben – damit ist das Thema dann wohl auch erledigt.
Bleiben Tschechien, Kroatien, Schweden und Dänemark. Halt, jetzt hätte ich fast Portugal vergessen – sicher eine Mannschaft mit absoluten Top-Einzelspielern. Aber als Team? Die Qualifikation verheißt nichts Gutes: mal so eben über die “Hoffnungsrunde” gegen Bosnien qualifiziert. Auch Top-Star Cristiano Ronaldo hat in den letzten Spielen eher die Damen-Welt durch seinen Hüftschwung überzeugt als die Fußball-Welt durch die gefürchtete Präzision bei Standardsituationen oder gar durch virtuose Doppelpässe.
Tschechien hat mit Petr Cech einen Keeper, der dem süddeutschen Teil unserer Mannschaft sicher nicht angenehm in Erinnerung ist – hoffentlich (aus deutscher Sicht) scheiden sie früh genug aus. Die Vorrunde lässt dies als realistisch erscheinen – mal so eben noch durch Siege gegen Montenegro qualifiziert… Und Kroatien? Die Qualifikationsrunde war lausig. Das Team unterlag Griechenland, und einer der Leistungsträger der Mannschaft, Ivica Olic, fällt verletzungsbedingt aus. Wahrscheinlich wird es also trotz Stars wie Luka Modic, hohem Ehrgeiz und großartigem Engagement der Mannschaft nicht reichen, um in das Finale einzuziehen.
Und der hohe Norden? Dänemark hat das Unmögliche schon einmal möglich gemacht. Unwahrscheinlich, dass sich dieser Teil der Fußball-Geschichte bei der EM wiederholt. Obwohl die dänischen Fans sicher gemeinsam mit denen ihrer skandinavischen Nachbarn zu den sympathischsten gehören. Letztere übrigens, also die Schweden, haben mit ihrem Starspieler, der auf den typisch schwedischen Namen Zlatan Ibrahimovic hört, ein heißes Eisen im Feuer und eine ordentliche Vorrunde gespielt. Aber was soll man letztlich erwarten, nachdem die Schweden bei ihrer Nationalsportart Eishockey anlässlich der WM im eigenen Land in der Vorrunde vom späteren Weltmeister Russland mit 7:3 vom Platz gefegt wurden? Da wird es wohl auch mit der Fußball-EM nichts geben.
Aber wie sieht es mit besagtem Russland aus? Nach der Eishockey-WM ein weiterer Titel? Selbstverständlich nur in dem beschriebenen Fall des bedauerlichen Irrtums der Geschichte, dass Jogis Jungs nicht erfolgreich sind.
Russland hat ausgezeichnete Spieler, sie haben eine blitzsaubere Qualifikation gespielt und sind auch in der Teamleistung durchaus sehenswert. Notfalls lässt sich vielleicht sogar Putin einwechseln. Die Statistiker werden sich zudem erinnern, dass sie bei der letzten EM im Viertelfinale die starken Niederlande mit 3:1 heimgeschickt haben, um dann im Halbfinale gegen den späteren Europameister auszuscheiden. Auch der aktuelle Trainer, Dick Advokat, ist sicher nicht zu unterschätzen.
Mein Tipp für den Fall der Fälle lautet somit Russland. Falls Sie sich fragen, warum ich mir die Gedanken überhaupt mache, wo “unser Sieg” bei der EM doch beschlossen ist, so ist die Antwort recht einfach. Ich habe mit der besten Assistentin von allen (umgangssprachlich als mein Vorzimmerdrache bezeichnet) gewettet, wer es denn wird, wenn nicht Deutschland. Wer die Wette verliert, weil der andere den richtigen Tipp abgibt, der muss einen angemessenen Wetteinsatz einlösen. Ich habe für diesen Fall zugesagt, in der Pommesbude meines Freundes und Dortmunder Stadtheiligen Nobby Dickel beim Pommes-Machen zu helfen. Stattdessen würde ich aber viel lieber zusehen, wie mir mein Vorzimmerdrache einen rot-weißen – und damit multifunktional (je nach Bedarf und Laune: Effzeee oder Fortuna) einsetzbaren – Schal strickt. Sie tippt in unserer kleinen Privatwette auf England – frei nach dem Motto „die Insel ist ja Dank Thronjubiläum sowieso gerade mächtig in Feierlaune“…
Also, drücken Sie Jogis Jungs bei der EM die Daumen – und wenn das nicht reicht, den Russen – bitte!
Soviel ist sicher: ich komme zum Pommes Essen! Ansonsten mein Respekt für die ausgeprägte Sachkunde rund um das “runde Leder”! Ludwig Veltmann
Lieber Herr Dr. Ehmer,
bezogen auf Ihre sonstigen Fußballkenntnisse und Vorlieben (es gibt nur ein rot/weiß F95 und in diesem Dom wird Eishockey gespielt) haben Sie mich mit Ihrer Analyse sehr beeindruckt.
Ich freue mich auf ein Bundesligaheimspiel der Fortuna aus Düsseldorf im kommenden Dezember, wenn ein schöner rot/weißer Schal Ihrem Hals die nötige Wärme spendet. Gerne hätte ich dabei den 1. fc köln (ja kleine Liga, kleine Buchstaben) untergehen sehen, aber da hatten Sie ja in der letzten Saison eine kleine Sachkundetrübung….
sportliche Grüße Karl Trautmann
Falls nicht nach Deutschland, geht der Pokal nach Frankreich. Sie haben einiges gut zu machen, starke Spieler und im Gegensatz zur WM 2010, ein tollen Trainer. Ansonsten präzise analysiert (bis auf die Rot-Weiß-Geschichte – 1. FC KÖLN).
Sonnigen Gruß aus der Normandie in die verbotene Stadt
Leo Kölzer
Zum Pommes Essen mit Norbert Dickel komme ich auch.
Idol meiner Jugend aus seinen Siegener Zeiten…
Ich drücke dem Vorzimmerdrachen die Daumen, dass sie verliert. Damit ich sie mal wieder an der Nadel in rot-weiß hängen sehe.
Tochter tippt nun auf England. Hat sicher etwas damit zu tun, dass ihr Geburtstag in der Woche geschehen ist, als das umstrittene Tor gegen Deutschland gefallen ist und England Weltmeister (?) wurde.
Der Spaß am Ball möge allen erhalten bleiben!
Wünscht Muttern
Liebe “Mutter vom Vorzimmerdrachen”,
herzlichen Dank für das unerwartete Daumendrücken – das ist wahre Mutterliebe. Übrigens: für das Nicht-Tor hat die Geschichte sich ja letztens gerächt – natürlich ohne dass dies erforderlich gewesen wäre. Ansonsten habe ich beim ersten England-Spiel vergeblich den “Zeitlupe-Aus-Knopf” an meinem Fernseher gesucht – “meine Russen” hingegen schlagen sich recht wacker. Das macht Mut.
Es grüßt Sie herzlichst mit einem
Glück auf,
Jörg Ehmer
Eines steht schon mal fest: weder Schal stricken noch Pommes verkaufen. Beide sind raus. England wie erwartet im Elfmeterschießen, die Russen nach einem furiosen Auftakt unglücklich verstolpert. Aber das macht ja nichts, primäres Ziel ist bekanntlich der Titel für Jogis Jungs. Erst haben wir unsere Nachbarn zum Nachhause-Robben geschickt, dann ein anderes Team nach Hause griechen lassen. Nun geht es am Donnerstag darum, jemanden nach Hause stiefeln zu lassen. Bekanntlich gewinnt ja zum Glück die bessere Mannschaft das Spiel, nicht die, die in den letzten Turnieren gewonnen hat. Bei aller grundsätzlichen Sympathie und bei allem Respekt vor den Azuri, nun heißt es Daumen drücken für unser Team, mögen Jogis Jungs die Besseren sein.
Und dann? Finaaalee! Und bei einem bin ich mir sicher: Der Finalteilnehmer aus dem anderen Halbfinale wird das Team von der iberischen Halbinsel sein – wer dagegen wetten möchte, der kann den Wetteinsatz bestimmen.