Moderne Full Service Center

In unserer sich immer schneller drehenden Zeit gehört es dazu, dem Kind immer neue Namen zu geben, alten Wein in neue Schläuche zu gießen und damit zumindest optisch aufzupeppen. Allzu oft werden Anglizismen genutzt, um tradierte deutschsprachige Begriffe abzulösen. Der gewünschte Effekt: es erscheint neu, modern und frisch. Alte – oft unerwünschte – Assoziationen werden übertüncht und das altbekannte Spiel geht mit neuem Makeup von vorne los. Der ehrbare, konservative Kaufmann schreckt hiervor oft zurück und findet sich dann als Tanzschule inmitten von dance academies und als Kneipe umringt von Afterworkparty-Hotspots wieder.

Moderner Fachhandel hat in diesem Sinne – ohne dass ich ernsthaft eine Änderung der Begrifflichkeit vorschlage – somit durchaus die Berechtigung, sich als Full Service Center zu bezeichnen. Denn genau das ist es, was ihn positiv von anderen Vertriebsformen differenziert. Gute Fachgeschäfte leben neben einem guten Standort und Grundkonzept von den Menschen, die dort arbeiten. Sie machen im positiven Fall das Besondere aus. Sie sind es, die mit ihrem Bestreben, den Kunden mit ihren Produkten und ihrer Leistung zu begeistern, den Unterschied machen.

Im Klartext: genau das ist das Salz in der Suppe des Unternehmertums. Gerade als kleinerer Unternehmer hat man die Chance, nicht nur kreativer, individueller und engagierter zu sein, sondern auch schneller und anpassungsfähiger als die Großen. Wenn Produkte sich verändern, dann muss ein Fachgeschäft diese Chance nutzen und das Waren- und Leistungsangebot anpassen, um den Kunden als erster eine zeitgemäße Leistung anzubieten. Wer nur Fernseher verkauft, der bietet aus Kundensicht – und nur das zählt – eine immer uninteressantere Teilleistung an. Wer Vernetzung nur unter Nutzung von iPhones präsentiert, der zeigt, dass er den Markt allen Warnungen zum Trotz verschlafen hat.

Der entscheidende Unterschied liegt jedoch immer weniger in der Ware. Früher waren (fast) nur Loewe-Fernseher schön, heute gibt es (fast) keine hässlichen Fernseher mehr. Vor wenigen Jahren gab es Waschmaschinen mancher Hersteller nur im Fachgeschäft, heute fluten sie die Amazon-Werbung mit Streichpreisen. Gerade wenn das Geschäft schleppend ist, wie in den letzten Monaten im TV-Bereich, steigt der Druck durch die aus Asien unausweichlich herbei schippernden Container. Und das Wasser, also die Ware, findet seinen Weg.

Das kann man bedauern, aber es scheint mittlerweile ein Naturgesetz zu sein. Im Gleichschritt kommen Verkaufspreise und die erzielbare Marge unter Druck. Wohl dem, der sich auf seine Eigenschaft als Full Service Center besinnt und vollen Service leistet. Erstklassiger Service in diesem Sinne ist zum Beispiel die beschriebene Beweglichkeit in der Sortimentierung plus entsprechende Beratung. Aber erstklassiger Service ist deutlich mehr. Gerade für den kleinflächigen Fachhandel ist all das, was nach dem Kauf kommt, von besonderer Bedeutung. Und das kann sicher nicht die Speditionslieferung bis zur Bordsteinkante sein.

Smart TV ist ein gutes Beispiel: alle Kunden, die einen Smart-TV gekauft haben, der nicht vom Händler ins Heimnetz eingebunden wurde (ärgerlicher Fehler beim Verkauf) müssen jetzt nachbearbeitet werden. Wohl dem, der in den Boomzeiten der letzten Jahre seine Kundenkartei gepflegt und Datennutzungseinwilligungen gesammelt hat. Er kann jetzt seine Kunden ansprechen und maßgeschneiderte Angebote machen. Die Betonung liegt auf maßgeschneidert – kundenbelästigendes Schrotflintenmarketing sollte man anderen überlassen. Wer seine Kunden vom Mehrwert der Vernetzung begeistert, wird sie intensiver an sich binden und Folgegeschäft generieren. Und wer eine Heimvernetzungsleistung erhalten hat, mit dem sollte der Händler einen Wartungsvertrag für das Heimnetz abzuschließen. Was könnte es besseres geben, als die Einladung, einmal im Jahr gegen Bezahlung zum Kunden zu kommen, um zu sehen, ob alles auf dem aktuellen Stand ist und ob er noch etwas brauchen könnte?

Der gute Händler – online wie stationär – kennt seine Kunden. Aber der gute stationäre Händler hat eine ganz andere emotionale Beziehung zu seinen Kunden. Und eine räumliche Nähe, die vieles erst möglich macht. Bei allen Fortschritten modernster CRM-Systeme, der persönliche Eindruck im Verkaufsgespräch und bei der Serviceleistung ist unschlagbar.

So haben Fachhändler, die im Heim des Kunden Service leisten, die Chance, wertvolle Informationen zu sammeln.  Und dabei gilt es kreativ zu sein. Wer beispielsweise im Winter etwas in eine Dachwohnung liefert, der kann sich für den Sommer den Kunden auf Wiedervorlage legen – es gibt tolle Klimageräte oder wenigstens stylische Ventilatoren – Entschuldigung, ich meine natürlich stylischen „air multiplier“.

Also, liebe Full Service Center Owner unter den Lesern: Sie haben etwas Einzigartiges zu bieten, vermarkten Sie es, dann bieten Sie einen Mehrwert und geschäftlicher Erfolg ist Ihnen auch langfristig sicher.

 

 

 

 

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