Wie heißt es so schön? Der Kopf ist rund, damit die Gedanken kreisen können. Mein heutiger Tipp in der Rubrik „Auch lesenswert“ ist sicher nichts – zumindest für mich nichts – für die lockere Einschlaflektüre vor der Nachtruhe nach einem langen und fordernden Arbeitstag. Dafür führt das Buch zur Ausnutzung des Kopfes im beschriebenen Sinn: die Gedanken kreisen beim Lesen, versprochen!
Der Autor Thomas Vašek ist Chefredakteur eines Magazins, das, nicht nur nach dem Hamburger Stadtteil, „Hohe Luft“ heißt. Man ahnt es schon: dies ist kein Konkurrenzprodukt zur BILD. „Hohe Luft“ ist ein modernes Philosophie-Magazin, das seine Zielgruppe mit dem Claim „Für alle, die Lust am Denken haben“ beschreibt. Hohe Luft eben. Dort werden keine banalen Phrasen gedroschen. Man bewegt sich lieber in größeren Höhen des intellektuellen Niveaus, aber durchaus auf eine sympathische, nicht verkrampft durchgeistigte Art.
Vašeks Buch „Denkstücke“ trägt den Untertitel „Lockerungsübungen für den Philosophischen Verstand“ – und das beschreibt es gut. Es beinhaltet auf 200 Seiten eine Sammlung von rund hundert kurzen Beiträgen, die auf einer bis drei Seiten anregenden Denkstoff bieten. Für den, der es vertiefen möchte, werden Quellen und weiterführende Leseempfehlungen angeboten. Aber der Reiz der Denkstücke liegt darin, dass der Impuls der kurzen Beiträge ausreicht, um eigene Gedanken kreisen zu lassen.
Bemerkenswert ist, dass nicht „nur“ die „Gassenhauer der Philosophie“ dargeboten werden. Auch gegenwärtig erörterte Fragestellungen werden aufgegriffen. Allen Texten gemein ist, dass sie (zumindest in Relation zur Primärliteratur!) leicht verdaulich aufbereitet sind. Trotzdem musste ich manchen der kurzen Texte zwei- oder dreimal lesen. Und das lag sicher nicht am Autor, sondern es führte mir einmal mehr vor Augen, wie groß die Spannbreite dessen ist, was man mit seinem Hirn und mit Sprache machen kann. Zwischen massenweisen alltäglichen Mails (von LOL, Tweets und Ähnlichem ganz zu schweigen) und einem prägnant beschriebenen, sprachlich ausgefeilten psychologischen Denkstück liegt ein weites Feld… Mir persönlich reichte es in der Regel, ein, zwei oder drei Denkstücke zu durchdringen. Dann habe ich das Buch zur Seite gelegt und erst wieder hervorgeholt, wenn die Lust am Denken groß war – die Lust am Denken über Dinge, die weniger zweckgerichtet sind als konkrete berufliche oder private Fragen.
Falls Sie all dies noch nicht vom Kauf des Buches abschreckt, interessieren Sie vielleicht einige Überschriften:
- Die Zeit läuft
Zeit ist das Maß für Veränderung dachte Aristoteles. Aber ist die Zeit wirklich – oder existiert sie nur für uns? - Das Muster der Dinge
Ursachen haben Wirkungen. Aber woher wissen wir das? - Gehirn im Tank
Woher wissen wir eigentlich, dass die Welt überhaupt existiert? - Ein großer Zwerg mit Glatzkopf und vollem Haar
Wie man beweisen kann, dass groß und klein das Gleiche ist – und was das mit schlechten Argumenten zu tun hat. - Schöpfung ohne Plan
Warum man aus einem perfekten Werk nicht auf einen intelligenten Gestalter schließen kann. - Verheiratete Junggesellen
Bestimmte Sätze gelten als logisch wahr. Aber auch diese „Wahrheiten“ lassen sich erschüttern.
Sie haben nicht weitergeklickt und sind immer noch interessiert? Also, dann auf zum freundlichen Buchhändler um die Ecke:
“Denkstücke“, Autor: Thomas Vašek, Verlag: Suhrkamp, Seitenanzahl: 207, ISBN: 978-3-518-46394-9