…die Freiheit! Ja, der Volksmund lamentiert: „Wer die Wahl hat, hat die Qual“. Und, ja, auszuwählen kann mühsam sein. Aber bei einer demokratischen Wahl steht klar im Vordergrund, dass es kaum eine größere Errungenschaft für die Freiheit gibt, als das allgemeine, freie und gleiche Wahlrecht – so, wie wir es in Deutschland im Grundgesetz verankert haben. Wahlen und Freiheitsrechte sind wesentliche Merkmale einer Demokratie. Autokratische Staaten beschränken die Freiheit, bis hin zur massiven Unterdrückung.
Nur rund 20% der Weltbevölkerung lebt in wirklich freien Ländern, die meisten Staaten beschränkt Freiheitsrechte. In sehr vielen Staaten gibt es keine freie Wahl. Weltweit sind Demokratie und Gewaltenteilung in den letzten Jahren erodiert. Unabhängige Wahlbeobachter stellen in immer mehr Staaten zunehmende Probleme fest.
Ein unangetastetes Wahlrecht ist ein Privileg. Deutschland zählt zur Spitzengruppe der freien Länder. Aber dafür gibt es keine Garantie. Wir müssen wachsam und wehrhaft bleiben. Auch in Deutschland gibt es massive Angriffe auf Wahlen und damit auf unsere Freiheit. Allen anderen voran versucht Russland, die Meinungsbildung und damit unsere Wahl zu beeinflussen – mit Troll-Fabriken, gekauften Influencern und gezielter Desinformation. Wir alle haben dies in den letzten Wochen erlebt. Wir dürfen nicht zulassen, dass mit Geld und Agitation aus dem Ausland unsere Politik in Deutschland in eine Richtung gelenkt wird, die den Interessen freiheitsfeindlicher Staaten dient, aber nicht denen Deutschlands, Europas und der freien Welt.
Und auch von innen nehmen die Angriffe zu. Dazu gehört, dass gezielt versucht wird, das Vertrauen in Wahlen zu erschüttern und staatliche Institutionen, Mandatsträger und die freie Presse zu diskreditieren. Das Schema erinnert fatal an 1933.
Wir sind es nicht nur unserer Zukunft, sondern auch unseren Vorfahren, die ihr Leben hierfür eingesetzt haben, schuldig, unsere Demokratie mit aller Kraft gegen solche Angriffe zu verteidigen. Jede und jeder von uns ist in der Pflicht, die Stimme zu erheben, statt nur missbilligend zuzusehen. Schweigen heißt hier zustimmen.
Wenn es heißt, die Demokratie muss wehrhaft sein, dann ist das der Handlungsaufruf an alle, nicht nur an politische Funktionsträger. Wir alle müssen Lügen widersprechen, Hetze zurückweisen und für eine sachgerechte Diskussion und Meinungsbildung Sorge tragen. Und wir alle müssen unser politisches Gestaltungsrecht wahrnehmen. Denn zur Wehrhaftigkeit gehört es auch, wählen zu gehen; selbst, wenn kein Parteiprogramm vollständig überzeugen mag. Es steht allen offen, sich in einer Partei zu engagieren. Und die letzten Jahre haben gezeigt, dass sogar die Neugründung von Parteien erfolgreich möglich ist. Demokratie lebt vom Mitmachen. Wer sich dem verweigert, verwirkt das Recht zur Kritik.
In einer Demokratie haben nicht die die Macht, die am lautesten schreien und manipulativ agitieren, sondern die, die von der Mehrheit gewählt sind. Lassen Sie uns am 23. Februar alle gemeinsam Sorge dafür tragen, dass Menschen gewählt werden, die unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie bewahren und positiv weiterentwickeln wollen.
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Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in den Nürnberger Nachrichten und ihren regionalen Teilausgaben. Ich danke dem Verlag für die Zustimmung zur Zweitveröffentlichung.
Nie war es so wichtig wie jetzt, die Demokratie nicht als selbstverständlich anzusehen, sondern sie zu verteidigen, wann auch immer und von wem auch immer sie bedroht wird. Wie schrieben doch einst die beiden Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt darüber, was unsere Demokratien gefährdet: „Früher wurden Demokratien gestürzt. Heute sterben Demokratien nicht durch einen Putsch oder Bürgerkrieg, sondern durch Wahlergebnisse.“
Der Artikel „Wer die Wahl hat, hat…“ greift eine wesentliche Wahrheit auf: Unsere Demokratie steht unter Beschuss. Doch bemerkenswert ist die implizite Erkenntnis, dass die größte Gefahr nicht allein von äußeren Mächten oder lautstarken Extremisten kommt, sondern aus dem Inneren des politischen Systems selbst. Die etablierten Parteien, jene, die seit Jahrzehnten das politische Geschehen dominieren, haben sich immer weiter von der Idee der Volkssouveränität entfernt und verfolgen zunehmend eine Politik der Machtsicherung, die alarmierende Parallelen zur Weimarer Republik aufweist.
Historisch betrachtet, ist der Niedergang einer Demokratie selten ein plötzlicher Akt, sondern das Resultat eines schleichenden Erosionsprozesses. Schon in den späten 1920er-Jahren sahen wir, wie politische Eliten durch Notverordnungen, Medienkontrolle und den Ausschluss unliebsamer Meinungen eine vermeintlich „wehrhafte Demokratie“ sichern wollten – und damit genau das Gegenteil bewirkten. Die Weimarer Demokratie wurde nicht von außen zerstört, sondern von einer politischen Klasse, die den demokratischen Wettbewerb zunehmend untergrub und so den Boden für die Radikalisierung bereitete.
Heute erleben wir eine ähnliche Dynamik. Oppositionelle Stimmen werden diffamiert, Wahlergebnisse in Zweifel gezogen, Kritiker als „Demokratiefeinde“ gebrandmarkt, während gleichzeitig ein Kartell der etablierten Parteien mit allen Mitteln versucht, seine Macht zu zementieren. Man schreckt nicht davor zurück, demokratische Grundprinzipien wie Meinungsfreiheit und politischen Pluralismus zu beschneiden – und nennt das „Verteidigung der Demokratie“. Genau dieses Denken war es jedoch, das 1933 den Weg für eine echte Diktatur bereitete.
Die wahre Gefahr für unsere Demokratie liegt also nicht in der Existenz von Protestparteien oder einer wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung, sondern in der Unfähigkeit der etablierten Kräfte, sich einer offenen Debatte zu stellen und ihre Politik im Sinne des Volkes anzupassen. Demokratie bedeutet nicht, dass nur eine Meinung legitim ist – sondern dass politische Macht vom Wähler und nicht von einer selbsternannten Elite ausgeht. Wer das Vertrauen der Bürger verliert, sollte sich nicht mit Repression, sondern mit Selbstreflexion begegnen.
Das historische Muster ist klar: Wenn Regierungen beginnen, sich gegen das Volk zu stellen, anstatt es zu repräsentieren, dann ist es nicht das Volk, das die Demokratie gefährdet – sondern die Regierungen selbst. Der Autor des Artikels hat recht: Es gibt Parallelen zu 1933. Doch er zieht die falschen Schlüsse darüber, von wem die größte Gefahr für die Demokratie tatsächlich ausgeht.
Zur Vermeidung von Spam und Schlimmerem entscheide ich bei jedem Kommentar, ob ich ihn freigebe. Diesen Kommentar gebe ich frei, auch wenn ich inhaltlich komplett eine andere Ansicht habe – aber der Diskurs lebt davon, dass auch abweichende Ansichten Gehör finden und damit überdacht werden können.
Viel in diesem Kommentar sind aus meiner Sicht Narrative, die die tatsächliche Situation verkennen. Es gibt nur einen Gradmesser dafür, was „das Volk“ denkt und will – und das sind Wahlen. Und dabei haben diejenigen, die vorgeben, als einzige „das Volk“ und seine Meinung zu repräsentieren, eher ein Viertel als die Mehrheit der Stimmen bekommen, und das wird auch in zwei Wochen voraussichtlich so sein. Damit ist es eine Minderheit, wenn auch eine relevante.
Auch in historischer Sicht verstehe ich die Fakten anders. Ebenso wie die angebliche Weigerung, sich der Debatte zu stellen nicht besteht – genau das Gegenteil ist der Fall, so wie auch eine der Stärken unseres Systems ist, Meinungsfreiheit auch denen zu gewähren, die laut skandieren, es gebe keine Meinungsfreiheit.
Zum Abschluss: Ich stelle mich mit meinem vollständigen Namen offen für meine Meinung, es wäre schön, wenn das auch die machen, die kritisieren.
So let‘s agree to disagree.
Zunächst einmal danke ich für die Freischaltung meines Kommentars und die Möglichkeit zum offenen Diskurs. Genau das ist es, was eine demokratische Debatte ausmacht: der Austausch von Argumenten auf der Basis von Fakten und unterschiedlichen Perspektiven.
Allerdings sehe ich einige der Gegenargumente kritisch.
1. Wahlen als einziges Maß des „Volkswillens“?
Es stimmt, dass Wahlen ein zentrales Instrument der Demokratie sind. Doch zu behaupten, dass Wahlergebnisse allein den Willen des Volkes repräsentieren, greift zu kurz. Erstens kann eine Wahl nur das Stimmungsbild eines bestimmten Moments widerspiegeln, während die politische Dynamik sich ständig verändert. Zweitens ist die Wahlbeteiligung oft nicht hoch genug, um eine absolute Legitimation für politische Entscheidungen zu behaupten. Drittens zeigt die wachsende Zahl der Nichtwähler, dass sich immer mehr Menschen von den bestehenden Parteien nicht vertreten fühlen. Die Aussage, dass eine Partei mit 25 % der Stimmen (bei einer Wahlbeteiligung von vielleicht 75 %) nur eine Minderheit repräsentiert, gilt gleichermaßen für alle Parteien – denn keine Partei kommt auch nur annähernd an eine absolute Mehrheit der Wahlberechtigten heran.
2. Wer stellt sich der Debatte – und wer nicht?
Natürlich gibt es Meinungsfreiheit, solange Meinungen nicht gegen Gesetze verstoßen. Die entscheidende Frage ist jedoch, inwiefern unliebsame Meinungen in öffentlichen Diskursräumen tatsächlich Gehör finden. Kritische Stimmen werden häufig nicht mit sachlichen Argumenten entkräftet, sondern mit pauschalen Etiketten versehen („rechtsextrem“, „Verschwörungstheoretiker“, „Demokratiefeind“). Dieses Muster führt nicht zu einem offenen Diskurs, sondern zu einer Ausgrenzung bestimmter Meinungen aus der gesellschaftlichen Debatte. Es ist nicht das Verbot, sondern die Diffamierung und die sozialen sowie medialen Konsequenzen, die dazu führen, dass manche Menschen sich nicht mehr trauen, offen ihre Meinung zu sagen.
3. Historische Perspektive und die Parallelen zu 1933
Die Parallele zur Weimarer Republik bezieht sich nicht auf einen bevorstehenden Umsturz, sondern auf die Erosion der politischen Kultur. In den späten 1920er-Jahren haben sich die etablierten Parteien zunehmend vom Bürger entfremdet, politische Gegner pauschal delegitimiert und mit repressiven Mitteln agiert, um ihre Macht zu sichern. Damals wurde der politische Pluralismus immer stärker eingeschränkt – und nicht von den radikalen Rändern, sondern von jenen, die sich als Verteidiger der Demokratie sahen. Natürlich sind die heutigen Verhältnisse nicht mit der Endphase Weimars gleichzusetzen, aber die Muster – mediale Gleichschaltung, Ausgrenzung, moralische Überhöhung der eigenen Position – sind bedenklich.
4. Der Umgang mit Kritikern
Es ist erfreulich, dass Sie sich mit vollem Namen äußern. Doch in einer Zeit, in der viele Menschen aufgrund ihrer politischen Meinungen mit beruflichen und sozialen Konsequenzen rechnen müssen, ist es verständlich, wenn nicht jeder diesen Luxus hat. Meinungen sollten nach ihrem Inhalt bewertet werden, nicht nach dem Namen, der daruntersteht.
Zusammenfassend: Es geht nicht darum, dass eine Gruppe „die einzige wahre Stimme des Volkes“ wäre, sondern dass der Diskurs offener geführt werden muss, ohne dass bestimmte Positionen von vornherein als illegitim abgestempelt werden. Demokratie bedeutet eben nicht nur Wahlen, sondern auch einen freien, gleichberechtigten Wettbewerb der Ideen – und genau dieser gerät zunehmend in Gefahr.
Nach etwas Nachdenken führe ich die Diskussion auch im zweiten Schritt noch mit einem anonymen Gesprächspartner weiter, damit ist es dann aber für mich auch abgeschlossen (dazu weiter unten mehr).
Zu den einzelnen Punkten:
@1) Grundlage unseres Zusammenlebens ist das Grundgesetz. Dort heißt es in Artikel 20 Abs. 2:
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
Damit steht fest, wie sich der Wille der Bevölkerung manifestiert. Sieht man sich das gesamte Grundgesetz an, dann erfolgt das im Kern durch Wahlen.
Niemand hat das Recht oder auch nur ein hinnehmbares Argument, diese Legitimitation in Zweifel zu ziehen. Es ist gerade das Wesen unserer Staatsverfassung, dass Wahlen das einzig ausschlaggebende sind.
Jede Form, dies zu diskreditieren – und darum ging es auch in meinem Blogbeitrag – ist entschieden zurückzuweisen.
Wer bestimmt sonst, was „das Volk will“? Sind es die (eigenen?) Meinungsblasen?
Ebensowenig verfängt der Hinweis auf die Wahlbeteiligung. Auch das ist nicht nur im Verfassungsrecht hinlänglich ausdiskutiert. Wer nicht wählt, der nimmt am Gestaltungsprozess nicht teil – und genau deshalb zielte mein Blogartikel im Kern auch auf die Teilnahme an der Wahl ab.
Ein weiterer Hinweis: Woher kommt die Idee, dass diejenigen, die nicht wählen, in der Verteilung über alle eine andere Meinung haben, als die, die Wählen? Ich habe keine harten Fakten, es liegt aber eher näher, dass die Mehrzahl der Nichtwähler eher gleichgültig sind, als dass sie einer Minderheit angehören und einen großen Drang zum Protest haben.
Alle geäußert Einwände greifen im Ergebnis die Legitimität der durch Wahlen verliehenen Macht an und greifen damit auch unsere Verfassung an. Dem widerspreche ich mit Nachdruck.
@2) Hierzu habe ich mich schon verschiedentlich ausführlich geäußert, unter anderem hier: https://www.ehmers-blog.de/2024/das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-duerfen-gedanken-zu-meinungsfreiheit-und-narrativen/
In aller Kürze: Jede(r) kann die eigene Meinung äußern, das ist eine Stärke unserer Gesellschaft. Aber niemand hat einen Anspruch darauf, dass ihm nicht widersprochen wird. Und wer extreme Meinungen äußert – oder dümmliche Altherrenwitze absondert – darf sich über einen entsprechenden Gegenwind nicht beschweren.
Nur am Rande: All das ist nichts im Vergleich zu dem, was Politkerinnen und Politikern an unsäglichen Unverschämtheiten bis hin zu Bedrohungen zugemutet wird, insbesondere solchen der Grünen (und damit sage ich nichts zu den Inhalten grüner Politik).
@3) Ich empfehle einen Besuch in Nürnberg, im Dokumentationszentrum. Danach dürfte diese historisch falsche Sicht korrigiert sein. Es gehört leider zur aktuellen politischen Diskussion, dass historische Fakten verdreht werden, bis hin zur unsäglichen Einordung von Hitler als Kommunisten durch Frau Weidel – einfach absurd.
Außerdem empfehle ich, bei Begrifflichkeiten genauer hinzusehen – „Gleichschaltung“ war das, was die Nazis gemacht haben, auch das ist in Nürnberg sehr gut dargestellt.
Übrigens ein weiteres taktisches Mittel der Nazis: neben Politikern wird auch die Presse verächtlich gemacht, um allen die Glaubwürdigkeit zu entziehen und den Weg für eigene Propaganda zu bereiten. Auch das sieht man heute wieder. Für alle, die die Geschichte kennen, gleichermaßen offenkundig wie alarmierend.
In der Realität habe in den 20ern und 30ern bösartige Menschen mit
irreführender Propaganda eine angespannte Situation ausgenutzt und geschickt Massen manipuliert – genau das versuchen andere heute (und das leider nicht ohne jeden Erfolg).
@4) Ich verwiese nochmals auf oben unter 2) und nehme mir die Freiheit, nicht weiter mit einer anonymen Person zu diskutieren – ich respektiere Ihre Entscheidung für die Anonymität, biete dieser aber hier keine weitere Plattform.
Zusammenfassend haben wir eine sehr unterschiedliche Sicht der Dinge. Ich denke, die Standpunkte sind ausgetauscht, und es freut mich, dass dies auch bei so unterschiedlicher Meinung sachlich und im angemessener Form möglich war.