Bei jedem Generationswechsel ist es das Gleiche: “Diese Jugend von heute: keine Werte, keine Manieren”. So oder ähnlich tönten Großeltern über die Generation unserer Eltern, manche unserer Eltern über unsere Generation und nun wir über die kommende Generation? Hoffentlich nicht, denn das wäre der bornierte Geist des “früher war alles besser”, der jenseits romantischer Schwärmereien kaum über eine Tatsachengrundlage verfügt.
Ob es uns gefällt oder nicht, die “Generation Y”, also die zwischen 1980 und der Jahrtausendwende Geborenen, und die nachfolgende “Generation Z” werden die Zukunft unserer Welt gestalten – und damit auch unsere! Es lohnt sich also, einen Blick darauf zu werfen, was diese jungen Menschen antreibt.
Natürlich gibt es hierzu jede Menge Meinungen und Kommentare. Auch wenn sich einiges davon mit meiner persönlichen Vater-Erfahrung (n=3) deckt, besser geeignet ist die “Shell Jugendstudie 2015”. Hier erfährt man auf gut 400 Seiten aus erster Hand, wie junge Menschen zwischen 12 und 25 ticken, was sie denken, wie sie fühlen, was sie möchten und was ihnen egal ist. Bereits seit 1953 werden im Auftrag von Shell Jugendstudien durchgeführt. Die Reihe ist damit längst zur vielleicht bedeutendsten Chronik der deutschen Jugendkultur im Wandel der Zeit geworden.
Auch aus der aktuellen Shellstudie erfährt man wieder Interessantes aus vielen Lebensbereichen: zum Beispiel zum Verhältnis zu den Eltern (besser als zuvor), zur Einstellung zu Kindern (Wunsch nach eigenen Kindern steigend) oder zu den Ängsten (Angst vor einer Wirtschaftskrise deutlich gesunken). Hätten Sie das gewusst oder zumindest geahnt?
Zum besseren Verständnis der Studie hilft es, wenn man sich vor Augen führt, in welchem Umfeld die heute bis 25jährigen aufgewachsen sind. Es ist eine Generation, die in Deutschland keine Mauer und Teilung erlebt hat, die keine Wählscheibentelefone mehr kennt und für die existentielle Not und Kriege in Europa unendlich weit weg sind. Die RAF, die Notstandsgesetze und den NATO-Doppelbeschluss kennen sie (im besseren Fall) nur aus den Geschichtsbüchern – oder sollte ich eher sagen von Wikipedia? Und damit sind wir auch schon in der digitalen Welt, dem natürlichen Lebensumfeld dieser Generation der vielbesprochenen “digital natives”.
Es wundert natürlich kaum, dass lediglich die kleine Gruppe der Gelegenheitsnutzer “nur” gut zehn Stunden in der Woche das Internet nutzt, fast die Hälfte aber zwanzig Stunden und mehr „online“ ist. Wer hierbei nur an Facebook, Spiele und YouTube denkt, der irrt. Zwar ist richtig, dass sozialer Kontakt sich verlagert – Engagement in Vereinen ist deutlich zurückgegangen und Interaktion über soziale Plattformen hat stark zugenommen. Aber richtig ist auch: Je nach sozialer Schicht, nutzt ein Drittel bis die Hälfte das Internet täglich, um benötigte Informationen zu suchen. Etwa die Hälfte davon für Schule, Ausbildung oder Beruf. Das spiegelt die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegene Bedeutung der Ausbildung wider: 55% der Jugendlichen streben das Abitur an, 2002 waren es noch 49%.
Noch bemerkenswerter wird es, wenn man die Erwartung der Befragten an die Berufstätigkeit betrachtet. Auf die Frage “Was müsste Dir eine berufliche Tätigkeit bieten, damit Du zufrieden sein kannst?” lauten die Top-Nennungen:
– Einen sicheren Arbeitsplatz
– Möglichkeiten, eigene Ideen einzubringen
– Möglichkeiten, etwas zu tun, das ich sinnvoll finde
– Genügend Freizeit neben der Berufstätigkeit
– Möglichkeiten, etwas Nützliches für die Gesellschaft zu tun
Falls Sie es vermisst haben: “hohes Einkommen” rangiert auf Platz 8″, knapp hinter “guten Aufstiegsmöglichkeiten”. Und damit keine Zweifel bleiben, hier noch die bei weiblichen und männlichen Befragten mit Abstand meistgenannte Antwort auf die Frage, wie die Berufstätigkeit gestaltet und organisiert sein soll: “Ich finde es wichtig, dass neben dem Beruf Familie und Kinder nicht zu kurz kommen”. Mit anderen Worten: Die Jugendlichen erwarten, dass sich die Arbeit ihrem bevorzugten Lebensrhythmus anpasst. Dazu passend stimmt auch nur rund die Hälfte der Befragten der Aussage zu “ich finde, wenn man in seinem Beruf etwas werden will, gehören Überstunden einfach dazu”.
Dies ist eine bemerkenswerte Abweichung zum Wertesystem, das heute in weiten Bereichen der Wirtschaft vorherrscht. Die Vierziger und Fünfziger, die heute vielfach die obere Führungsebene von Unternehmen dominieren, pflegen allenfalls zwischen Weihnachten und Neujahr über Work-Life-Balance zu sinnieren (um spätestens Ende Januar das Pendel wieder überaus eindeutig ausschwingen zu lassen).
Wer mit offenen Augen und Ohren junge Menschen im Beruf beobachtet, dem wird jedoch nicht verborgen bleiben, dass diese Generation es ernst meint. Karriere und Arbeit haben für sie oftmals einen anderen, deutlich weniger herausgehobenen Stellenwert. Die Bereitschaft, dem Beruf viel unterzuordnen, ist merklich zurückgegangen und wird der Studie zufolge weiter sinken.
Nun mag man sich darüber ärgern oder die Jugend ob ihrer Weisheit preisen. Am Ende wird sich jeder Einzelne und jedes Unternehmen darauf einstellen müssen. Denn mit dem demographischen Wandel wird der Arbeitsmarkt immer mehr ein Arbeitnehmermarkt werden. Wer die Bedürfnisse und Erwartungen der immer begehrter werdenden Mitarbeiter nicht kennt und beachtet, der wird es immer schwerer haben, Mitarbeiter zu binden oder gar neue zu finden. Ganz abgesehen davon, dass er mit seinen Produkten oder Dienstleistungen auch die nachwachsende Kunden-Zielgruppe nicht erreichen wird.
Sie sehen, es macht Sinn, eingehender über die Generationen Y und Z nachzudenken. Also, wenn auch Sie über die kleine Fokusgruppe aus dem persönlichen Umfeld hinausgehen möchten, mein Buchtipp: die Shell Jugendstudie 2015.
Albert, Hurrelmann, Quenzel, TNS Infratest Sozialforschung, Jugend 2015 – 17. Shell Jugendstudie, Fischer Taschenbuch Verlag 2015, ISBN 978-3-596-03401-7. Link zum E-Book (hier klicken).
Nicht alle Großeltern tönen wie beschrieben:
Arbeitswelt im Wandel der Zeit. Mein Vater 93, findet es unakzeptabel das heute Überstunden ohne Bezahlung zu leisten sind. Die bezahlte Überstunde, sei die einzige Möglichkeit des Arbeitnehmes auf finanziele Risiken des Lebens angemessen zu reagieren. Es brauche sich heute niemand zu wundern, wenn Überstunden nicht mehr akzeptiert werden.
Es sei eine Schande für Deutschland, wie wenig in die Jugend investiert werde, besonders der Zustand der Schulen.
In meiner Familie redet der Grossvater auch mit dem Enkel (der von seinem Lehrer der Lüge bezichtigt wird, da er berichtet hat das er mit seinem 90jährigen Opa per Mail kommuniziert), auch über die Zeit vor und nach 45.
Ich rede mit Ihm auch über meine Jugendzeit in den 60igern.
So das der geschichtliche Rahmen der letzten 90 Jahre durchaus
abgedeckt ist.
Mein Sohn der gerade sein Abi gemacht hat, hat durch viele Auslandsreisen (besonders wichtig Schüleraustausch mit China)
Ein gutes Gespür für die Realität in unserer Zeit.
Seit dem Chinaaufenthalt ist der Lieblingsspruch “Jammern auf hohem Niveau, uns geht es unglaublich gut und wir haben seit 70 Jahren frieden in Europa”
Des weiteren: “Der 1. April ist der einzigste Tag im Jahr, andem
die aktuellen Schlagzeilen hinterfragt werden.”
Das zeigt für mich, das die Jugend durchaus in der Lage ist die Realität richtig einzuschätzen und mit der Medienwelt kritisch umzugehen.
Allerdings weiß ich, das auf unsere Kinder ungeheure Herrausforderungen in allen Bereichen zu kommen, die weit über das hinausgehen was meine Generation (heute 58) zu meistern im Stande war.
Aufgaben die nur lösbar sind, in einer hochgradig vernetzten teamorientierten Gesellschaft. Zum Glück hat die Natur schon reagiert (laut aktueller Hirnforschung), so sind die Leistungen
der Jugendlichen im Bereich “Zuordnung zu Listen” erheblich besser als bei uns Alten. Sie werden sich besser an die kommenden Aufgaben anpassen können, neue Verknüfungen im Hirn
ermöglichen auch neues Denken. — Welch ein Glück!–
Hallo Doc, ich lese die Artikel des “Ehmers-Blog” immer wieder mit dem größtem Vergnügen. Mit diesem hier stimme ich hundertprozentig überein. Wir als Väter und Mütter ziehen Kinder (ich auch drei Jungs) heran, die selbstbewusster erzogen werden als früher. Während man in meiner Jugend Autorität notfalls mit Gewalt durchsetzte, diskutiert man heute vieles aus. Das ist anstrengend, aber es führt zu anderen, wie ich meine besseren, Menschen. Diese Generation, die jetzt langsam peu a peu in unsere Firmen kommt, ist eine Generation bei der verschiedene, althergebrachte Führungsstile nicht mehr funktionieren werden. Im Seminaren und Meetings mit unserem Personalbereich, frage ich mich oft, ob wir genügend FKs haben, die dem gewachsen sind? Ich glaube, je höher man kommt desto dünner wird es. Ich glaube auch, dass es in den meisten Konzernen so ist. Es bleibt ein spannender Wandel, aber ich denke, dass wir von den Jüngeren viel zum Thema Work-Live-Balance lernen können. Ich mag diese Generation und ich bin stolzer Vater dieser Kinder. Außerdem bin ich froh, als ich meine ersten Erfahrungen als Teamleiter machte einen Hauptabteilungsleiter gehabt zu haben, der damals schon einen sehr menschlichen, zeitgemäßen und aber auch nachhaltigen Führungsstil vorgelebt hat.