Bequemlichkeit, Ignoranz oder Angst, das ist die Frage, die sich stellt, wenn ich mir die Ergebnisse einer Studie ansehe, die Apollo kürzlich gemeinsam mit TNS Infratest durchgeführt hat. Worum ging es?
Wir wollten wissen, wie gut – oder schlecht – die Autofahrer in Deutschland sehen. Das Ergebnis hat mich nicht nur überrascht sondern erschrocken. Rund drei Viertel aller Autofahrer schätzen ihre Sehfähigkeit falsch ein. Nur der kleinere Teil davon unterschätzt sich. Deutlich mehr als die Hälfte überschätzt sich und glaubt besser zu sehen, als dies der Fall ist. Mit anderen Worten: Sehr viele der getesteten Autofahrer sehen schlechter als sie denken und gefährden damit sich und andere im Straßenverkehr. Und wer meint, es handle sich dabei nur um Rundungsfehler zwischen Selbsteinschätzung und tatsächlich gemessener Sehstärke, der täuscht sich:
Die stärkste Abweichung bei über zweitausend befragten und getesteten Autofahrern betrug 7,25 Dioptrien! Das ist durchaus bemerkenswert: Da fährt jemand mit einer uralten Brille (Korrekturwert 2,5 Dioptrien) Auto, benötigt aber stramme 9,75 Dioptrien. Mit 9,75 Dioptrien ist man in einem Fehlsichtigkeitsbereich, in dem es durchaus Sinn macht, dass die linke Seite einer Kontaktlinsendose schwarz ist und die rechte weiß. Bereits eine Abweichung von “nur” einem oder zwei Dioptrien – und die liegt häufig vor – führt zu einer ernsthaften Gefährdung: Andere Fahrzeuge und Fußgänger werden zu spät wahrgenommen, Schilder nicht richtig gelesen und insgesamt ist die sichere Orientierung und Reaktionsfähigkeit deutlich eingeschränkt.
Aber das ist noch nicht alles: über 40% aller Autofahrer geben von sich aus an, im Dunkeln schlechter zu sehen; im echten Leben dürften deutlich mehr Autofahrer nachts Probleme haben. Gleichwohl korrigiert nur ein verschwindend geringer Teil dies durch Brillengläser mit besonderer Autofahrer-Beschichtung, welche die Blendwirkung insbesondere bei Nässe deutlich reduziert.
Nun hat jeder das gute Recht, bei Dunkelheit schlecht sehend auf dem eigenen Balkon zu sitzen. Es steht auch jedem frei, blinzelnd vor dem Fernseher zu sitzen, weil er nicht mehr scharf sieht. Und jeder kann auch für sich entscheiden, andere Einschränkungen der Lebensqualität hinzunehmen: schlechter Tennis zu spielen, gelegentlich zu stolpern oder irgendwo anzuecken, Kopfschmerzen sowie Verspannung wegen überanstrengter Augen zu haben und seine Freunde nicht mehr aus der Ferne erkennen zu können.
Aber beim Straßenverkehr hört der Spaß auf. Denn hier geht es nicht nur um die eigene Lebensqualität, persönliche Eitelkeit oder Bequemlichkeit, sondern es geht um die Sicherheit und letztlich um das Leben zahlreicher Menschen. Meine persönliche Toleranz geht hier gegen Null. Wer nicht gut sieht, muss sicherstellen, dass er dies durch entsprechende Sehhilfen kompensiert – oder sich vom Straßenverkehr und damit von der Gefährdung anderer fernhalten.
Zugegeben, das tückische an einer Veränderung der Sehfähigkeit ist, dass dies in aller Regel ein schleichender Prozess ist. Man merkt eine Verschlechterung nicht sofort. Aber auf der anderen Seite kann man die Sehfähigkeit problemlos, schnell und schmerzfrei testen. Zahlreiche Optiker bieten – wie Apollo – diesen Service kostenlos an. Was spricht dagegen, regelmäßig zum Sehtest zu gehen? Nichts!
Das scheinen “eigentlich” auch die Autofahrer so zu sehen, vermutlich weil sie den Zusammenhang zwischen Sehfähigkeit und Verkehrssicherheit grundsätzlich anerkennen: Rund 80% aller Autofahrer sind dafür, dass alle Autofahrer ab einem gewissen Alter in regelmäßigen Abständen verpflichtend einen Sehtest durchführen müssen. So weit so gut. Aber wenn (fast) alle für eine Verpflichtung sind, warum machen es dann nicht (fast) alle freiwillig? Und damit wären wir auch wieder bei der Ausgangsfrage angelangt: Bequemlichkeit, Ignoranz oder Angst?
Gegen “Bequemlichkeit” spricht, dass es neben Augenärzten überall in Deutschland kompetente Optiker gibt, die einen Sehtest durchführen – alleine Apollo bietet das in über 800 Filialen an. Somit spricht Vieles dafür, dass die Situation mehr aus einer unheilvollen Mischung von Gleichgültigkeit anderen gegenüber und einer diffusen Angst entsteht. Angst, beim Sehtest könne etwas Negatives herauskommen. Nur was?
Die allermeisten Sehstörungen lassen sich mit einer Sehhilfe kompensieren. Und wenn dies wirklich nicht möglich ist, dann gebieten es doch der Anstand und die Verantwortung gegenüber den Mitmenschen, diese nicht zu gefährden, weil man selber nicht in der Lage ist, die Minimalanforderungen der Verkehrssicherheit zu erfüllen. Die “heilige Kuh” der persönlichen Individualmobilität muss klar zurückstehen hinter der Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer.
Also, schieben Sie weder Bequemlichkeit vor, noch seien Sie ignorant oder unangebracht ängstlich: Gehen Sie alle ein bis zwei Jahre zum Sehtest – wenn nicht wegen Ihrer persönlichen Lebensqualität, dann wenigsten zum Schutz Ihrer Mitmenschen.
Sehr geehrter Herr Dr. Ehmer,
das sind in der Tat erschreckende Fakten. Da stellt sich die Frage, ob es nicht sogar
seitens des Gesetzgebers sinnvoll wäre, einen Überprüfung der Sehstärke in Intervallen
verpflichtend einzuführen. So wie es auch die Autofahrerverbände fordern.
Die Überschrift fasst es zusammen, sehr oft sind alle drei Beweggründe gleichzeitig bestimmend!
Sie sprechen hier ein brisantes Thema an, über welches schon seit Jahren diskutiert wird. Es ist ein Thema in jeder Generation unserer Gesellschaft. Und die Meinungen gehen weit auseinander. Die Frage ist nur warum?
Das Auge kann auf lange Zeit die Sehfähigkeit nicht mehr vergleichen. Nur unter Anstrengung und aktives Hinterfragen und überprüfen, kann man vielleicht eine Tendenz der eigenen Sehfähigkeit vermuten. Kann man beispielsweise noch das Straßenschild von der anderen Straßenecke aus lesen? Allerdings wissen wir ja schon was auf dem Schild steht. Unser Gehirn ergänzt die fehlenden Teile. Was wir nicht sehen können, versuchen wir durch Logik oder Erinnerungen zu ersetzen. Das eigene Urteilsvermögen ist somit schon im aktiven Zustand getrübt. Zudem wird der Vergleich mit einem Mitmenschen (“Kannst du das noch lesen?”) ab einem bestimmten Alter als unhöflich gewertet. Man könnte den Anderen ja kränken oder seine eigene “Unfähigkeit” Preis geben. Dass chronische Kopfschmerzen oder verminderte Reaktionsfähigkeit von einer Sehschwäche verursacht werden können, auch dies ist vielen Menschen nicht bewusst.
Ein Gang zum Optiker oder Augenarzt würde die Fakten endlich klar und eindeutig auf den Tisch legen und trotzdem wird dies möglichst vermieden. Es dauert teilweise Monate einen Termin beim Arzt zu bekommen. Und auch wird der Arztbesuch von vielen mit dem Kauf einer neuen Brille verbunden. Aussagen wie “Wenn der Arzt meine Stärken misst, dann MUSS ich mir eine neue Brille kaufen.” bekommt man immer öfter zu hören. Vor allem Personen mit hohen Stärken empfinden damit einen hohen psychologischen Druck. Der Gang zum Arzt wird nicht mit der Überprüfung und/oder Verbesserung der eigenen Gesundheit sondern mit einer hohen finanziellen Belastung verbunden. Der Kauf einer Brille kann vom Arzt nicht einmal vorgeschrieben werden, trotzdem ist dieser Gedankengang scheinbar weit verbreitet.
Die Ängste der ältesten Generation liegen höchst wahrscheinlich woanders. Vermeiden von Arztbesuchen und regelmässigen Untersuchungen, haben eventuell dazu geführt, dass die Augen durch Krankheiten irreparabel geschädigt sind. Ist die Sehfähigkeit einmal verloren oder eingeschränkt, führt meist kein Weg zurück. Mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit ist das Auto hier der letzte Strohhalm in Sachen Mobilität. Mobilität steht in diesem Alter für vieles: die Fähigkeit sich selbst zu versorgen, unabhängig zu sein, die Familie und Freunde besuchen zu können. Fällt das Auto weg, steht so vieles, ja eigentlich das ganze Leben eines Senioren auf dem Spiel: soziale Kontakte, Selbstständigkeit und die eigene Würde. Und all das loszulassen würde jeder Generation schwerfallen. Der jungen Generation geht es eher um Aussehen und Bequemlichkeit. Die Brille wird als störend und trotz Brillentrend auch teilweise noch als peinlich empfunden.
Das Problem ist hier also meiner Meinung nach eher psychologischer und sozialer Natur. Die Sicherheit unserer Mitmenschen ist uns im Angesicht unserer eigenen Ängste egal, vernachlässigbar oder wird einfach nicht bedacht. So lange schlechtes Sehen noch immer gebrandmarkt, Brillen als Makel gesehen und nicht mehr Aufklärung betrieben wird, werden wir auch weiterhin mit diesem Thema zu kämpfen haben. Wie wir unsere älteren Mitmenschen sozial einbeziehen und Alternativen für Sie schaffen, wird ein entscheidender Faktor sein. Wie oft besuchen wir denn unsere Ur-/Großeltern noch?
Fast Jedem kann mit Hilfe einer Brille oder Kontaktlinsen zu besserem Sehen verholfen werden. Das Brillengestell, die Lesebrille, Gleitsichtbrillen, Arbeitsplatzbrillen, der regelmäßige Gang zum Augenarzt um die Augen zu überprüfen und vorallem die Kommunikation über die eigene Sehfähigkeit müssen endlich selbstverständlich und entstigmatisiert werden. Nur so wird es meiner Meinung nach auch in Sachen Sehfähigkeit und sichere Teilnahme am Straßenverkehr zu einer Besserung kommen.
Es ist immer wieder erschreckend, wie Menschen Ihre Augen vernachlässigen. Es muss ja nicht immer zum Augenarzt gegangen werden, aber ein Sehtest beim Optiker würde schon helfen. Sollte dann doch Etwas auffallen, schickt der Optiker einen normalerweise eh zum Arzt. Dass da nur mit unzureichender oder gar keiner Brille rumgelaufen wird, ist da wahrscheinlich noch das geringste Übel.
Man denkt immer bei solchen Themen bedarf es keiner Aufklärung, aber dem ist leider nicht so. Ein Brilleneintrag im Führerschein scheint für viele grauenhafter zu sein, als das erhöhte Unfallrisiko. Der Schock ist groß, wenn man der Testperson eröffnet, dass die Sehfähigkeit unter 70% liegt, der Mindestanforderung zur Teilnahme am Straßenverkehr.
Führerscheinsehtest das etwas andere Abenteuer eines Optikers: Da wird auch mal gefleilscht, ob man nicht doch den Probanden bestehen lassen könnte. Man wird beschimpft, wie man denn für den Test eine Vergütung verlangen könnte, wenn der Proband nicht besteht. Der Betrag und das dazugehörige Formular sind nebenbei bemerkt fest vorgeschrieben in ganz Deutschland. Und am Ende begegnet man dem total ungläubigen Blick von einem Last-Minute Probanden, der nach unbestandenen Test völlig unverständlich fragt, wo man denn bitte am selben Tag noch eine Brille herbekommen soll. Der Gedanke an andere Menschen scheint da ganz fern.
Die Mehrheit der Testpersonen ist zum Glück sehr verantwortungsbewusst, aber man trifft halt doch immer wieder auf ein paar Ausnahmen. In den meisten Fällen liegt es ja tatsächlich einfach nur an der fehlenden Korrektion durch eine Brille. Aber je höher das Alter, um so höher steigt das Risiko für Augenkrankheiten. Vieles könnte früh erkannt und eingedämmt werden. Dafür ist nur eine regelmäßige Kontrolle beim Augenarzt nötig. Was vielen nicht bewusst ist, dass durch Augenkrankheiten sehr oft bleibende und nicht zu kurierende Schäden verursacht werden können. Diese werden meist gar nicht bemerkt, da unser Gehirn fehlende Eindrücke logisch ersetzt oder sich die Sehfähigkeit äußerst schleichend verändert. Und da sprechen wir nicht von einer Verminderten Sehkraft von 70% sondern 30% abwärts. Ganze Sehzonen fallen aus oder sind mit Flecken besetzt. In diesem Zustand hilft dann meist nur noch eine Lupe oder Sehhilfe. Befindet man sich in einem Zwischenstadium, kann es sein, dass man seine verminderte Sehfähigkeit vielleicht noch gar nicht bemerkt hat und trotzdem noch Auto fährt. Ohne regelmäßige Tests, wird es leider auch so weiter gehen.