Abstrakt sind Diskussionen oft vergleichsweise einfach zu führen. Schwieriger wird es, wenn konkrete Einzelpersonen und ihre individuelle Situation dem Ganzen ein persönliches Gesicht geben. Das gilt in besonderem Maße für die aktuelle Situation, in der Deutschland sich der Herausforderung eines großen Andrangs von Menschen gegenübersieht, die gerne hier leben möchten.
Abstrakt kann man sagen, dass es nicht für jeden, der gerne in Deutschland leben möchte, einen Platz gibt. Objektiv ist dies zweifelsohne ebenso richtig, wie die Aussage, dass das Asylrecht im Grundgesetz zahlenmäßig nicht beschränkt ist. Unbestritten dürfte auch sein, dass sowohl diejenigen gute Argumente haben, die Zuwanderung aus demographischen Gründen für erforderlich halten, als auch diejenigen, die auf die besonderen Herausforderungen und Risiken einer unstrukturierten Zuwanderung hinweisen.
Man mag es richtig oder falsch finden, aber faktisch haben wir – vertreten durch die von uns demokratisch legitimierte Regierung – die Türe weit aufgemacht und vielen zehntausend Menschen in kürzester Zeit die Einreise ermöglicht. Auch diejenigen, die den Geschehnissen der vergangenen Wochen negativ und ablehnend gegenüberstehen, kommen um eine Erkenntnis nicht umhin: Die Menschen sind hier, mit all ihren Nöten, Sorgen und Problemen.
Man kann die Situation nicht ignorieren, sondern muss mit ihr umgehen. Und dabei ist Haltung gefragt, da trennt sich die Spreu vom Weizen. Die einen lamentieren über die Situation im Allgemeinen und über Dinge, die nicht mehr zu ändern sind. Andere spüren, dass Hilfe benötigt wird, dass viele Städte und Gemeinden überfordert sind. Und sie spüren es nicht nur, sie handeln und zeigen bürgerschaftliches Engagement – und damit im positiven Sinne Haltung. Tausende engagieren sich. Sie spenden Geld oder helfen ehrenamtlich in Flüchtlingsheimen, geben Deutschkurse und vieles mehr. Dies tun sie einfach. Sie tun es, weil sie es für richtig halten und nicht weil sie irgendjemand dazu auffordert oder gar verpflichtet.
Was für den Einzelnen gilt, gilt auch für Unternehmer und Unternehmen: es ist eine Frage der Haltung. Lässt man die Menschen und die formal Verantwortlichen alleine mit den Problemen, vergräbt sich in der immer reichlich vorhandenen Arbeit, oder leistet man einen Beitrag zum Gemeinwohl?
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wählen zahlreiche Unternehmen den Weg des Handelns. Sie engagieren sich. Die Telekom stellt Gebäude und kostenlose Telekommunikationsleistungen zur Verfügung. Andere Unternehmen stellen Mitarbeiter für ehrenamtliche Arbeit frei, Audi hat eine Millionen Euro gespendet, die REWE Group Lebensmittel und Geld – um nur einige gute Beispiele zu nennen.
Apollo, soviel “Eigenwerbung” sei erlaubt, hat Gutscheine für 10.000 individuell anzufertigende Brillen für Flüchtlinge gespendet. Wir haben in der Geschäftsführung nicht darüber diskutiert, ob wir das machen wollen. Es ging eher darum, wie wir es schnellstmöglich realisieren. Mit allen anderen aktiven Unternehmen teilen wir die Überzeugung: Es reicht nicht, sich in der Unternehmensvision und im Geschäftsbericht zu ehrenvollen Zielen und zu seiner gesellschaftlichen Verantwortung zu bekennen.
Natürlich kann man als Unternehmen zahlreiche Gründe dafür finden, nicht zu helfen. Angefangen beim Budget, über die Befürchtung, das Engagement könnte jemandem nicht gefallen, bis hin zur Sorge, jemand könnte fragen, warum man nicht mehr hilft oder sich für andere Dinge engagiert. All dies muss man aushalten, wenn man davon überzeugt ist, dass man das Richtige macht. Nur wer nichts macht, macht nichts falsch – außer dass er nichts macht! Keiner kann jedem und zu jeder Zeit helfen. Aber viele engagieren sich wie Apollo seit Jahren auch in zahlreichen anderen Projekten. Sie alle eint die Grundeinstellung: Man kann nicht immer allen helfen, aber immer irgendjemandem, der es gerade besonders nötig hat.
Also, an all’ die, die zaudern: es ist eine Frage der Haltung “Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn” (Goethe/Faust I).
Meine Haltung war anfangs eher skeptisch bis ängstlich, auch wenn
in meiner Oberschul Klasse in den 70er Jahren auch schon 12 Nationen vertreten waren. Meine Haltung hat sich durch ein intensives Gespräch mit meinem Sohn, der eben die Versetzung nach Klasse 13 erreicht hat, doch grundsätzlich geändert. Er meint: die jenigen, die zum einen sich bis zu uns durchgekämpft haben, seien bestimmt nicht die dümmsten und diejenigen die für die Flucht der Familie pro Kopf acht bis zehntausend Euro aufbringen konnten, seien eher die gut ausgebildeten oder Selbstständigen Bewohner und diese würden sich schnell einfügen und auch bald wieder Ihren Beitrag, als Selbstständige oder Angestellte leisten. Eine akzeptable Haltung – die ich inzwichen so übernommen habe und auch gerne hier im dörflichen Bereich so weitergebe. — Das anschaulichste Bild hat meiner Meinung nach “Heiner Geisler” gezeichnet. Man stelle sich für Europas 500 Millonen Einwohner, eine Festhalle mit 500 Besucher vor – und da kommen jetzt noch 2 dazu. — Sehr schön vereinfacht, da sind alle Ängste gleich hinweggefegt.
Leider werden durch die unsägliche pegida-Bewegung und die an Populismus nicht zu überbietende “Partei” der AfD die Haltung der “Ostdeutschen” gerne pauschal als eine fremdenfeindliche und bisweilen rassistisch desavouiert. Ich bin ein zugezogener Wessi und spiele seit zwanzig Jahren im Opernhaus Magdeburg die Solo-Klarinette. Ich erlebe hier großes bürgerschaftliches ehrenamtliches Engagement, den Flüchtlingen ein herzliches Willkommen zu bereiten und darüberhinaus ein breites Angebot zum Bleiben und Miteinanderleben zu bieten. Ob Universität,Theater oder die zahlreichen karitativen Einrichtungen, um nur einige zu nennen, die ich näher kenne : stets geht es nicht nur um Versorgung mit dem Nötigsten sondern immer auch um Perspektiven für Ausbildung, Nachbarschaft, familiäres Glück.
Lieber Jörg, dir und deinen Lieben eine zauberhafte Weihnachtszeit und ein fröhliches Neues Jahr.
Dein Georg