12 geschenkte Gäule verursachen Frust

In meinem letzten Blog-Beitrag habe ich beschrieben, wie wichtig es für Premium-Anbieter ist, eine einzigartige Leistung zu bieten und wie fragil die Loyalität von Kunden in Zeiten grenzen- und schwellenloser Kommunikation ist. Passt die Leistung nicht mehr zum Versprechen, dann beschädigt dies die Marke und schneller als noch vor wenigen Jahren verfliegt der Zauber des Besonderen. Konsequenz: Die Karawane zieht weiter. Manchmal sind es scheinbare Kleinigkeiten, die begeisterte Kunden enttäuschen, oftmals überraschend und nicht passend zum persönlichen Wertmaßstab und zu gewohnten Verhaltensmustern. Genau das habe ich zu Weihnachten beobachtet.

12 Tage Geschenke - 12 geschenkte Gäule verursachen FrustKennen Sie die App „12 Tage“? Als Dankeschön an seine Kunden verschenkt Apple alljährlich von Weihnachten an zwölf Tagen jeden Tag eine App, ein Lied, Spiel oder anderen Content. Die App gab es auch vorletztes Jahr, und ich erinnere mich, dass mein mittlerer Sohn jeden Morgen als erstes auf seinem iPod geschaut hat, was das Geschenk des Tages ist. Meist war er sehr zufrieden. Vereinzeltes Meckern konnte ich mit dem bekannten „Einem geschenkten Gaul…“ besänftigen.

Anders diesmal, mein Sohn hat durchgehend über den Content gemotzt. Jeden Morgen in steigender Intensität das gleiche Spiel: Lamentieren am Frühstückstisch. Auch wenn alles geschenkt war, er kam sich auf den Arm genommen vor. Kaum zu glauben, mein 11-Jähriger hat sich sogar die Mühe gemacht, an zwei Tagen die Sterne aller Kunden-Bewertungen zu zählen und den Durchschnitt auszurechnen. Wer Kinder in diesem Alter hat, der weiß, dass Mathe nicht wirklich die beliebteste Freizeitbeschäftigung in den Weihnachtsferien ist. Warum er das trotzdem gemacht hat? Apple gab abweichend von seiner Einschätzung als durchschnittliche Kunden-Bewertung 3,5 von 5 Sternen an. Mein Sohn hat 1,7 errechnet – über mein „Daumenintegral“ ein zutreffendes Ergebnis.

Das Ganze liest sich dann im O-Ton meines Sohnes, via Facebook verbreitet, so:

„…Wozu braucht man einen Film, bei dem der Download nicht funktioniert oder eine App, die vorher bereits kostenlos war, ein Knödelrezept oder ein Kochbuch, bei dem man für den Rezeptdownload 2,69 Euro zahlen muss? Bis auf Maroon 5 war die Musik auch Schrott. Und dann cheaten die auch noch bei den Sternen, sagen es wären 3,5. Ich habe nachgerechnet, es sind nur 1,7…!“

Das sitzt. Am zehnten Tag hat er die App gelöscht. Natürlich postete er auch das auf Facebook und zusätzlich Screenshots negativer Bewertungen auf Instagram  – jeweils mit reichlich likes beantwortet. Wer jetzt denkt, was ist denn das für eine absonderliche Einstellung, sich über etwas Geschenktes so rüde zu beschweren, der mag nach seinen persönlichen Wertvorstellungen Recht haben – aber eben nur nach seinen. Und diese werden offenkundig von einer durchaus großen Gruppe anderer Menschen nicht geteilt, wie die 1,7 zeigt. Negative Bewertungen lesen sich exemplarisch wie folgt:

„Habe nichts gegen Kochbücher einzuwenden, allerdings wieder eine App mit In-App-Option. Apple, es ist offensichtlich, ihr wollt nichts verschenken, ihr wollt einfach nur mehr Umsatz…“

 „Apple, wisst ihr, was wirklich mal ein Geschenk wäre? Schmückt Euch nicht fremden Federn, verschenkt doch mal eine App von Euch! Muss man annehmen, dass der Profit am eigenen Produkt doch wichtiger ist als einmal im Jahr ein Danke an die Kunden.“

Wer glaubt, diese Stimmung gäbe es nur in den flüchtigen App-Bewertungen, der irrt. Neben positiven Rückmeldungen findet sich auch in diversen Foren und Blogs ähnliche Kritik:

„Sch.. (Piep-Zensur): die App war schon 2 Mal kostenlos in der Vergangenheit. Das ist echt Mist von Apple!“

 „Diese App ist so blöd dieses Mal. Was soll ich denn bitte mit einem Film oder Buch auf einem Handy? Meine Vermutung ist, dass die uns zum Kauf eines iPads verleiten wollen.“

 „Bis jetzt kam nur der Kram, den man nicht mal geschenkt haben möchte.“

Dies ist kein organisierter, bösartiger Shitstorm. Es ist die Reaktion anspruchsvoller Markenfans darauf, dass ihre Erwartung enttäuscht wurde. Dabei ist es unerheblich, ob die Erwartungshaltung der Markenfans nach tradierten Vorstellungen angemessen ist. Was zählt, ist das Resultat: ein Kratzer im Lack. Was gestern noch gut war, ist es plötzlich nicht mehr. Gut gemeint war hier zumindest für Einige im Ergebnis nicht nur „nicht gut“, sondern schädlich.

Ganz ehrlich, ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dass sich viele so aufregen. Aber genau das ist das Problem: Man darf nicht nur von sich ausgehen. Entscheidend ist das, was die Kunden, von denen man lebt (und morgen noch leben möchte!), erwarten und sagen – und das ändert und dreht sich immer schneller. Erfolgreiche Herstellung und Vermarktung von Premiumprodukten und -leistungen bedürfen immer mehr einer sehr feinfühligen Marktbeobachtung und uneingeschränktem Verständnis der Kunden. Es geht nicht um Kundenzufriedenheit, es geht um Begeisterung – und wer die Latte so hoch legt, der muss auch permanent sicher drüber springen.

Also, liebe Marketiers und Verkäufer: Habt den Finger stets am Puls des Marktes und macht euch auf unangenehme Überraschungen gefasst!

 

 

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