Sprache ist manchmal entlarvend. Da dem so ist, nehme ich mit großer Freude in diesem Beitrag einige Standardphrasen der deutschen Besprechungskultur unter die Lupe. Häufig kommen sie unauffällig daher. Doch man sollte ihnen nicht auf den Leim gehen.
a.s.a.p. = as soon as possible.
Diese Abkürzung ist immer wieder gern in Besprechungsprotokollen zu finden. a.s.a.p. klingt höflicher als p.d.q (pretty damn quick), ist schneidig, kompetent sowie international und hat auch den Vorzug, dass sie zwang- und völlig harmlos in die Terminspalte passt. Bei genauer Betrachtung platzt die Sprachblase. Wer a.s.a.p. als Temin zur Erledigung einer Aufgabe akzeptiert, der hat die gleiche Qualität wie ein Vertriebsleiter, der von seinem Mitarbeiter als Verkaufsziel die Aussage “so viel wie möglich” akzeptiert. a.s.a.p. ist die Termindefinition mit integralem Ausredenbestandteil – sooner war es halt nicht possible, sorry.
t.b.d.
Diese Abkürzung ist so etwas wie der kleine Bruder von a.s.a.p. und ein echtes Universalgenie. Kommt gerne in Protokollen sowohl in den Spalten “Maßnahme”, “Verantwortlicher” als auch “Termin” vor. t.b.d. steht gleichermaßen für to be defined, to be done, to be discussed, to be decided und wahrscheinlich noch für viel mehr to-dos. Mit anderen Worten: Wann immer etwas unklar ist und weder besprochen noch gar entschieden werden soll – oder wenn man einfach nicht mehr weiter weiß, dann ist t.b.d ein willkommener Verschleierungs-Anglizismus. Oft bleibt in diesem Zusammenhang offen, wer was konkret bis wann festlegen, machen, diskutieren (mit welchem Ziel?) oder entscheiden soll.
Das nehme ich mal mit
Wer das sagt, nimmt es allzu oft nur mit – sozusagen auf Nimmerwiedersehen also ohne es wieder zurückzubringen. In der beliebten Rubrik “gesagt / gemeint” der Financial Times Deutschland stünde bei “das nehme ich mal mit” als “gemeint” wahrscheinlich “ich habe keine Ahnung, möchte jetzt auch nicht darüber sprechen, sondern es möglichst zügig vom Tisch kriegen, weil ich hoffe, dass später keiner mehr nachfragt”. Kommt übrigens gerne in Verbindung mit einem a.s.a.p. als Zurückbring-Termin vor… – wie gesagt auf Nimmerwiedersehen.
Das geht aus rechtlichen Gründen nicht (geliehene Autorität I)
Wer sich mit Argumenten nicht durchsetzen kann oder die Auseinandersetzung scheut, der versucht es gerne mit geliehener Autorität. Da steht der Verweis auf nebulöse “rechtliche Gründe” weit oben auf der Liste, getoppt allenfalls durch “Datenschutz”. Fragt man genauer nach, lösen sich derartige Hürden oftmals in Luft auf, zumindest lässt sich in aller Regel eine umsetzbare Gestaltungsform finden.
Vermeintliche Selbstverständlichkeit (geliehene Autorität II)
Vorsicht vor Sätzen, die anfangen mit “wie wir alle ja wissen…”, “wir sind uns ja alle einig, dass…”, “es ist allgemein bekannt, dass…”, “wie wir wissen…” oder ähnlichen entlarvenden Formulierungen. Der Satzteil, der solchen Einleitungen folgt, ist inhaltlich meist entgegen der scheinbaren Selbstverständlichkeit alles andere als unumstritten. Wer so formuliert, der versucht vielmehr häufig, einer Diskussion aus dem Weg zu gehen, da es ihm an überzeugenden Argumenten fehlt.
Das will der Chef so (geliehene Autorität III)
…was ich angeblich nicht alles schon gewollt habe, ohne dass ich das jemals gesagt oder auch nur gedacht hätte. Wer nachfragt, erlebt hier oft eine Überraschung.
Wir sitzen doch alle im gleichen Boot
Wenn der platte Hinweis auf höhere rechtliche oder hierarchische Instanzen nicht reicht, dann ist es ein beliebtes (verzweifeltes) Mittel, andere in eine Leidensgemeinschaft zu manövrieren oder – noch besser – eigene Probleme zu denen der anderen zu machen. Beliebtester Satz: “Wir sitzen alle im gleichen Boot” – oft fragt sich nur, wer rudern und wer zusehen soll. Bei Licht betrachtet sind die Adressaten meistens in einem anderen Boot und oft genug auch auf einem anderen Gewässer unterwegs. Aber man kann es ja mal versuchen…
Also, es gibt in den täglichen Meetings viele Formulierungen, die Alarmsignale sind – haben Sie auch eine entlarvende Lieblings-Phrase?
P.S. Soeben ist mir noch folgender Beitrag aufgefallen – passt hervorragend zum Thema: Standardphrasen :
http://www.channelpartner.de/ratgeber/298228/index.html?r=76172771742717006&lid=177740
Sehr treffend!
Schön ist auch:
“Das haben wir vor 10 (15/20) Jahren schon versucht und da hat es auch nicht funktioniert!” Ablehnung ohne Sachargumente Teil I.
“Das geht bei uns nicht, wir sind ein Möbelhaus (Bestatter, Klinik, UE-Fachhandel…)” Häufig gehört, jeder findet sich so speziell dass bei ihm erfolgreiche Ansätze aus anderen Branchen grundsätzlich nicht funktionieren!
Ablehnung ohne Sachargumente Teil II.
…”Ablehnung ohne Sachargumente Teil II” ist mir auch bekannt als das “BUAGA-Syndrom” (Bei Uns Alles Ganz Anders).
Absolut im Trend ist auch: “Das müssen wir mal vorantreiben!”