In der Zange

Kein Zweifel, Apple hat die Welt der Kommunikation kräftig umgekrempelt. Als Nokia noch unangefochtener Marktführer war und Blackberry der Rising Star, da schmunzelte der Großteil der TK-Welt über die sich verdichtenden Gerüchte, Apple werde ein Telefon auf den Markt bringen. “Die”, so war oft zu hören, “werden sich noch umsehen. Die haben keine Ahnung, wie unser TK-Markt funktioniert.”

Die Realität sah anders aus – für einige bitter anders. Nokia als ehemaliger Marktführer hat dramatisch verloren. Selten sah man jemanden so schnell aufsteigen und auf den Bauch fallen wie RIM alias Blackberry. Letztere hatten trotz ihrer B2B- /Mail-Dominanz nicht einmal mehr ausreichend Zeit, die für einen Marktführer sonst allzu oft typische Arroganz zu entwickeln, da waren sie schon auf dem absteigenden Ast.

Über die Erfolgsgründe von Apple im Bereich mobiler Kommunikation wurde alles geschrieben – kurz zusammengefasst:  Erstens erstmalig wirklich intuitive Bedienung, zweitens durchgehend aus Nutzersicht hergestellt, drittens toller Formfaktor und viertens einer der selteneren Fälle, in denen Pull-Marketing wegen einer überragenden Markenstärke und strikten Vertriebspolitik funktioniert. Heißt in Summe:  einfach begehrenswert.

Doch wie geht es weiter mit Apple? Der boomende Tablet-Markt war in 2011 weitgehend ein iPad -Markt. Bleibt das so? Ich glaube nein, und dafür gibt es gute Gründe.

Ein Blick auf die Entwicklung bei Smartphones zeigt, dass andere Hersteller schnell aufgeholt haben, sehr schnell. Android hat in zahlreichen Ländern IOS mittlerweile als führendes Smartphone-Betriebssystem abgelöst. Spätestens seit Android 2.3 kann ich – selbst lange Zeit begeisterter iPhone Nutzer – in der Benutzerfreundlichkeit keine durchschlagenden Unterschiede mehr feststellen. Bis dahin konnte IOS mehr oder minder alles irgendwie besser, jetzt kann nach meiner Wahrnehmung jeder einige Dinge besser.

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vergleich von Android 4 (Ice Cream Sandwich) und IOS 5 von Andreas Seeger vom Fachmagazin Connect aus dem November letzten Jahres. Er zeigt, wie nah auch in den weiteren Entwicklungsstufen beide Systeme aneinanderrücken und wie der einstige Pacemaker Apple auch Funktionalität von Google übernimmt ( http://www.connect.de/ratgeber/android-4-und-ios-5-im-vergleich-1210336.html). Vor diesem Hintergrund wird klar, warum die Patentstreitigkeiten zwischen Apple und Google unsäglich eskalieren, doch dazu demnächst an dieser Stelle mehr.

Nähern sich Benutzerfreundlichkeit und Leistungsfähigkeit der Systeme auch immer mehr an, einen entscheidenden Unterschied gibt es: Android ist kein geschlossenes, proprietäres System, sondern ein für zahlreiche Hersteller geöffnetes System. Das bringt Nachteile, denn im geschlossenen System kann man Funktionalität und Stabilität sicher einfacher gewährleisten, als in einem offenen Standard. Diese Nachteile sind für den Nutzer auch erlebbar, aber die entscheidende Frage ist, wie relevant dies für die Kaufentscheidung sein wird. Sicher ist: der Preis für die Vorteile eines geschlossenen Systems ist, dass man mit ihm auch die Kreativität wetteifernder Unternehmen verhindert, die alle das Beste aus einem geöffneten Standard herausholen wollen.

Das anschaulichste Beispiel für den Unterschied zwischen einem offenen und einem geschlossenen System: auf Android-Smartphones kann man die Benutzeroberfläche eines iPhone imitieren (http://www.chip.de/news/Android-Handy-gratis-in-ein-iPhone-wandeln). Das stelle man sich einmal umgekehrt vor – aktuell ist es sicher eher unwahrscheinlich, dass dies die AppStore-Kontrolle passiert. Noch ist Apple offensichtlich für viele eine Nasenspitze voraus. Die Frage ist nur, ob oder besser gesagt wie lange dies anhält.

Auch hinsichtlich der Apps hat sich einiges geändert. Für mein erstes Android-Telefon war das App-Angebot mager. Es dominierten US-Amerikanische Apps – aber Insights lokaler American Football-Teams sind in Deutschland nur für eine schützenswerte Randgruppe interessant. Das hat sich geändert. Europa ist bei Android angekommen und die Anzahl der Apps wächst kontinuierlich. Google hat mit Android 4 ernsthafte Anstrengungen unternommen, die Plattform für Entwickler interessanter zu machen. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie es Google gelingt, die Qualität der Apps in der Breite an die von Apple heranzuführen. Noch ist Google sicher nicht da, aber Richtung und Fortschritte sind klar erkennbar.

Und noch eines kommt hinzu: ich höre zunehmend, dass viele Menschen sich in einem geschlossenen System unwohl und bevormundet fühlen. In der Industriegeschichte gibt es allenfalls wenige Beispiele von proprietären Systemen, die sich dauerhaft durchgesetzt haben. Blackberry ist übrigens ein gutes Beispiel. Das System war nie wirklich offen für Wettbewerber, was die Kreativität des Marktes herausgefordert hat – eine der Ursachen für das bekannte Ergebnis – wohlwollend: Zwischenergebnis.

Apple droht aber nicht nur Ungemach von Google, auch Microsoft schickt sich an, mit Windows 8 einen bedeutenden Schritt zu einem erstmals wirklich ernstzunehmendem Betriebssystem für mobile Endgeräte zu machen. Und das sollte man in Cupertino nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn Windows ist im B2B-Bereich das vorherrschende System. Unzählige IT-Abteilungen in Unternehmen werden gute Gründe finden, warum der mobile Zugriff auf das Firmennetzwerk – auch über Personal Information Management hinausgehend – am besten, sichersten und reibungslosesten über Windows erfolgt – egal, ob dies stimmt oder nicht…

IOS ist also in der Zange, im Consumer-Bereich von Android und im B2B-Bereich macht sich Windows bereit (spannenderweise mit Nokia im Schlepptau; vielleicht wird doch noch etwas aus der Handvoll Nokia-Aktien, die ich vor Jahren für das sechsfache des aktuellen Kurses gekauft habe…).

Die Konsumenten kann all dies nur freuen. Lebhafter Wettbewerb verbessert, solange er nicht ruinös wird, die Produkte und Leistungen. Auch den Handel kann es nur freuen, denn er lebt von Produktvielfalt und Beratung. Zudem sind extrem marktstarke Anbieter keine wirklich angenehmen Verhandlungspartner…

Also: freuen wir uns, dass Bewegung in das Spiel gekommen ist. Im Smartphone-Markt ist dies bereits Realität und auch im Bereich der Tablets steht es vor der Tür – man kann das Klopfen schon deutlich vernehmen. Lassen Sie uns alle laut “Herein” rufen!

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