Der Mensch ist schon ein sonderbares Lebewesen. Oft als vernunftbegabt bezeichnet und allzu oft doch so wenig vernünftig. Obwohl die Meisten wissen, was “eigentlich” richtig wäre und wie man “eigentlich” handeln müsste – nur Wenige setzen es um, nur Wenige leben es. Hierfür gibt es mannigfaltige Beispiele aus allen Lebensbereichen. Keine Sorge, ich will hier nicht lange darüber räsonieren, dass wir (fast) alle vor Konservierungsstoffen strotzende und Nährwert neutrale Teiglinge verzehren, die aus Asien herbei geschippert und energieverschwendend aufgebacken wurden. Obwohl wir doch alle wissen, wie viel gesünder und vernünftiger ein handwerklich sauber hergestelltes Vollkornbrötchen des örtlichen Bäckers ist. Mir geht es heute vielmehr um dieses Verhalten im Vertrieb. Um das, was gute von schlechten Verkäufern / Verkaufsgesprächen unterscheidet.
Jeder nur einigermaßen mittelmäßig ausgebildete Verkäufer weiß, dass eine handwerklich saubere Bedarfserhebung Kern eines jeden Verkaufsgesprächs ist. Umsetzungsmethoden gibt es zahllose. Am Ende geht es immer um die richtige Kombination aus geschickten Fragen und – für Viele noch schwieriger – aktivem Zuhören und Beobachten. Obwohl dies jeder weiß, wird diese Erkenntnis im Alltag des Verkaufens sehr oft nicht umgesetzt.
Die Gründe und Ausprägungen sind vielschichtig. Da ist zunächst der Typ “Ich will nicht bedarfsgerecht beraten, sondern dem Kunden etwas aufschwätzen”. Dieser Typ Verkäufer kann wenigstens für sich in Anspruch nehmen, dass er sich bewusst falsch verhält. Es gibt ihn in allen Branchen und Handelsformen. In manchen tritt er extrem häufig auf. Das Ergebnis ist klar: Auf Dauer merken Kunden dies, es führt zu Vertrauensverlust – in ein Geschäft oder eine ganze Branche. Beispiel gefällig?
Kaum ein Bereich des Einzelhandels hat bei den Kunden ein so schlechtes Image wie der Mobilfunkbereich. Zu oft haben die Kunden bei einigen Anbietern und Vertriebsformen nach der ersten Rechnung erfahren müssen, dass ihnen etwas verkauft wurde, dass sie weder wollten noch brauchten. Zu viele schwarze Schafe haben dem Image der Herde geschadet. Für langfristig denkende, seriöse Unternehmer ist dies sicher nicht das richtige Geschäftsmodell.
Es gibt auch den Typ “Ich weiß einfach, was mein Kunde will”. Dieser Verkäufertyp hat die berühmte Schere im Kopf: Ich würde nie mehr als 500 Euro für einen Kaffeevollautomaten ausgeben, also meine Kunden auch nicht. Meine Frau duldet keinen Fernseher, der grösser als 37 Zoll ist, also ist das bei meinen Kunden auch so. Ein Kunde mit so einer Löcher-Jeans kann sich das Topmodell sicher nicht leisten, gehen wir mal gleich zum Preiseinstieg… Erschreckend oft wird so agiert. Das Ergebnis sind unzufriedene Kunden und leere Kassen. Der kluge Verkäufer macht sich hiervon frei, er fragt und hört zu, bevor er sich eine Meinung bildet und die Begeisterung des Kunden für die individuell passenden Produkte weckt.
Oft wird der Fehler schon bei der Sortimentierung gemacht. Nein, Apple verkaufe ich nicht, da sind die Margen zu eng, und außerdem ist es ein geschlossenes System, das ich nicht gut finde. Zu allem Überfluss haben die noch einen Hersteller-Webshop… Und: Nein, Amazon Kindle Tablets verkaufe ich nicht, Kunden, die so etwas wollen, die sollen es doch online kaufen…
Mit der Transparenz durch die digitalen Medien sind die Zeiten vorbei, in denen Kunden sich überwiegend nur im Laden einen Überblick über die verfügbaren Produkte machen konnten. Kunden sind heute viel besser vorinformiert als noch vor wenigen Jahren. Immer weniger Kunden akzeptieren Bevormundung. Wer begehrte Produkte nicht anbietet, weil er persönlich die Produkte oder das dahinter liegende Geschäftsmodell nicht mag, der muss damit leben, dass er diese wachsende Kundengruppe Wettbewerbern in die Arme treibt. Die Kunden stimmen heute mit den Füßen ab: Sie suchen sich immer eine Einkaufsmöglichkeit für die von ihnen begehrten Produkte und sind somit dann auf Dauer verloren.
Wer sich nicht als Spezialist in einer engen Nische positionieren, sondern breite Kundengruppen – und auch junge Menschen – ansprechen möchte, der kann auf marktstarke Marken und begehrte Produkte nicht verzichten. Er muss (auch) sie zumindest zeigen. Nur dann kommen Kunden in den Laden, nur dann kann er den Bedarf noch einmal hinterfragen, Alternativen vorstellen, Service anbieten… Jeder Kunde im Laden ist eine Chance. Und: Jeder Kunde, der den Laden enttäuscht verlässt, ist ein Verlust, der nachgewiesen weitere Verluste aus seinem Familien-/Freundeskreis nach sich zieht.
Stimmt das Sortiment und bietet der Laden eine angenehme Atmosphäre, stimmt auch die Basis für ein gutes Verkaufsgespräch. Der gute Verkäufer zeichnet sich auf dieser Grundlage dadurch aus, dass er die richtigen Fragen stellt – und das ist oft leichter getan als gesagt. Der Techniker im Verkäufer ist vielleicht geneigt, beim Fernseherverkauf zu fragen, ob es ein Modell sein soll, das via Wlan an das Internet angeschlossen werden kann. Der clevere Verkäufer findet heraus, ob die betagte Kundin Kinder und/oder Enkelkinder hat, die in einer anderen Stadt leben. Zack, schon ist vielleicht ein Smart-TV mit Skype verkauft und der Auftrag für Montage, Anbindung an das Internet und Einweisung in die Skype-Nutzung ein Paket, das die Kundin wahrscheinlich begeistert – und auch dem Händler Freude macht…
Verkaufen macht Spaß. Richtiges Fragen ist eine handwerkliche Kunst und ein gutes Beratungsgespräch ist die Stärke und entscheidende Profilierungsmöglichkeit des stationären Handels. All dies lebt von Menschen, von Persönlichkeit und von Vertrauen, dass man sich erarbeiten muss, dann aber auch genießen kann. Beim Verkaufen ist es wie auch sonst so oft im Leben: Das, was man in der Theorie weiß, muss man einfach nur machen. Also, machen statt quatschen!
Wunderbar auf den Punkt gebracht !!! Die schwarzen Schafe , dass ist wahrlich ein großes Problem,
dass durch falsche Konzernpolitik sogar gefördert und belohnt wird.
Dies auf dem Rücken ehrlicher Berater und dem der Kunden auszutragen ist nicht nur fraglich sondern im höchsten Maße bedenklich !!!!!
Meines Erachten fängt es schon damit an, dass sich die Menschen gegenseitig nicht achten. Warum sollte ich ein Interesse an dem Wunsch des Gegenübers haben, wenn mich schon seine Anwesenheit eher stört als interessiert?
Das hört sich krass an, dennoch erlebe ich es häufig. Tätigkeiten mit Freude und Lust zu tun ist rar geworden. Trotzdem finde ich, es lohnt sich.
Bei Telekommunikations Anbietern ist der Druck auf die Arbeitnehmer wahrscheinlich auch noch dazu sehr hoch, wie soll da Freude aufkommen.
Da hilft es für den Verbrauche nur alle Augen und Ohren auf zu sperren und sich sehr gut vor zu informieren.
Hallo Herr Ehmer.
Fein und ausführlich argumentiert, das teile ich. Aber ist nicht auch in Ihrem Segement die Frage: Was ist die (monetäre) Motivation!? Was verdient denn ein guter Verkäufer? Und werden diese im Handel überhaupt erkannt und dann mit entsprechenden Anreizen ausgestattet?
Ich kaufe selbst ja auch schon lange online, aber nicht zuletzt, da ich eben keinen Verkäufer mehr antraf, der mir motiviert erschien, mir mit dem was ich brauche und suche wirklich zu helfen. Lediglich die oft anzutreffenden “Shop-in-Shop”-Mitarbeiter von Herstellern lieferten mir noch ein anderes Bild. Und meine Vermutung war/ ist, das schon das grundsätzliche Thema Verdienst im Handel wenig Motivation erlaubt. Oder sehe ich das falsch? Gruß. Ralf Zmölnig
P.S.: Spannend, dass so wenige Menschen in Positionen wie der Ihren einen solchen Kanal wie diesen Blog eröffnen! Wie viel Zeit planen/ nehmen Sie sich denn hier im Monat?
Guten Tag Herr Zmölnig,
danke für Ihren Kommentar. Umfragen beweisen es: Sie sind nicht alleine. Viele Kunden kaufen online ein, weil sie es als bequemer erachten, manche auch, weil – wie in Ihrem Fall – dankend auf Beratung durch un- oder falsch motivierte Verkäufer verzichtet wird. Eine Gallup-Studie aus dem Jahr 2010 spricht sogar davon, dass lediglich elf Prozent aller deutschen Angestellten engagiert arbeiten. Woran liegt das? Beim Verkäufer gilt, wie auch beim Ladenchef: Obwohl die Meisten wissen, was “eigentlich” richtig wäre und wie man “eigentlich” handeln müsste – nur Wenige setzen es um, nur Wenige leben es. Will heißen: Ein guter Chef und verantwortungsvoller Unternehmer erkennt Verkaufstalent, fördert es und honoriert es entsprechend.
Allerdings schießt dabei eine andere Entwicklung quer – offline beraten lassen und online per Preisvergleich kaufen. Dass die Kundenerwartung ständiger Tiefpreise manchen Einzelhändler in die Bredouille bringt, ist klar. Kostenmanagement muss sein, es ist sogar elementar wichtig. Das Unternehmen soll weiter für Arbeitsplätze sorgen, doch gute Verkaufsberatung kostet eben – und der Kunde muss auch bereit sein, diese zu honorieren. Dafür hat er die freie Wahl, wo er das tun möchte.
Daher auch meine Bitte: Lassen Sie sich bloß nicht von den ganzen „Geiz-ist-Geil“-Parolen drangsalieren. Damit unterstützen wir diejenigen im stationären Handel, die einen echten Mehrwert bieten. Und der liegt neben der Möglichkeit zum Ansehen und Anfassen klar in einer ausgezeichneten Beratung und in einem erstklassigen Service. Wer dies als stationärer Händler nicht bietet, der bietet keinen Mehrwert und wird daher berechtigter Weise auch aus dem Wettbewerb ausscheiden. Wer diese Leistungen aber bietet, der sollte auch in Ihnen einen Kunden finden, der diese Leistung honoriert. Wir sollten alle bewusster kaufen und somit auch fairer Geld ausgeben.
Bloggen ist eine meiner Leidenschaften. Ich versuche, meinen Blog regelmäßig – mit hoffentlich interessanten Beiträgen – zu füllen. Der nötige Zeitaufwand ist höchst unterschiedlich. Zu vielen Themen möchte ich einfach nicht schweigen, daher nehme ich den zusätzlichen Aufwand gern in Kauf. Für mich ist es in aller Regel eine Form von Entspannung am Abend, bei einem Glas Wein und/oder einer Zigarre. In der Tageshektik des Berufsalltags fehlt mir die Muße.
Es grüßt Sie herzlichst,
Jörg Ehmer
Hallo Herr Ehmer.
Sogar eine fundierte/ ausführliche Antwort? Damit habe ich jetzt gar nicht gerechnet, und freut mich umso mehr. Ich hoffe Sie können das aufrecht erhalten.
Ja, bewußt kaufen und fair Geld ausgeben ist DAS Argument das ich auch teile. Ich persönlich kaufe schon lange nicht mehr nur nach Preis, sondern nach Leistung und Commodity UND Fairness. So gut es halt geht ;o)
Sollten Sie demnächst bei einer schönen Zigarre Muße finden, zu erläutern, wie Sie in Ihrem Unternehmen dieses Thema als Meinungsmacher und Influencer platzieren/ leben, würde ich mich darüber freuen, dass bei einem Gläschen Wein zu lesen. Beste Grüße. Ralf Zmölnig