Eine Frage der Ehre – an alle deutschen Verlage und Grossisten

Haben Sie sich schon einmal während des Urlaubs im ausländischen Buchladen das Regal „Deutsche Bücher“ genauer angesehen? Nachdem ich dieses Jahr mit meiner Familie kurzentschlossen dem schlechten Wetter in den Bergen Richtung Adria ausgewichen bin, hatte ich Gelegenheit dazu. Sie wissen schon, nach drei Tagen Strandurlaub wird es langweilig, am vierten wird die – nüchtern betrachtet – wenig eindrucksvolle Kirche im schönen Hinterland und das lokale Museum besucht. Spätestens danach habe ich mich geärgert, nicht genug Lesefutter mitgenommen zu haben. Aber selbst wenn die mitgenommenen Bücher ausgereicht hätten, als positiv neugieriger Mensch sieht man sich ja gerne mal das Angebot an.

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„Deutsche Bücher“ im ausländischen Buchladen

Dies ist übrigens dann auch einer der Momente, in denen ich mich freue, dass über 100 Millionen Menschen Deutsch als Muttersprache haben. So erbarmen sich lokale Buchhändler, für diese ausreichend große Zielgruppe Bücher zu verkaufen. Arme Niederländer und Dänen, ihr seid zu wenige (aber dafür könnt ihr besser Fremdsprachen, auch nicht das Schlechteste).

Doch wehe, man nähert sich derart erfreut dem Bücherangebot. Beim näheren Betrachten ist es einfach nur gruselig. Weit überwiegend handelt es sich um Gassenfeger der Trivialliteratur. Ich habe den Eindruck gewonnen, als gäbe es nur zwei Themen, die uns Deutsche, Österreicher und (einen Teil der) Schweizer bewegen. Zum einen Mord in allen Varianten, heimtückisch bis grausam ausgeführt, meist aus niederen Beweggründen. Zum anderen Herzschmerz. Sie wissen schon, sie liebt ihn, er aber eine oder – moderner – einen anderen. Fertig. Klassiker der deutschen Literatur, aktuelle Werke mit wenigstens etwas Niveau? Fehlanzeige! Vielleicht wenigstens etwas Lustiges, Loriot oder Kishon, Hummeldumm oder ähnliches? Ebenfalls Fehlanzeige: Zum Lachen geht es in den Keller, aber nicht öffentlichkeitswirksam an das Regal mit deutschsprachiger Literatur.

Nun kann man mir natürlich entgegen halten, das System funktioniert marktwirtschaftlich und das Fehlen von Büchern, die nicht der Kategorie „Schund“ zuzuordnen sind, ist eben kein Zeichen von „Ausverkauft“, sondern es spiegelt mangelndes Interesse wider. Doch selbst wenn dies die harte Realität sein sollte (was wahrscheinlich der Fall ist), welches Bild geben wir in der Welt ab? Da lobe ich mir doch die Engländer. Inmitten der englischsprachigen Mord- und Herzschmerz Buchansammlung finden sich immer einige Werke von Shakespeare und Co. Natürlich kauft auch das vermutlich kein Mensch, aber beim flüchtigen Passanten vermittelt es doch ein kulturell niveauvolleres Bild als die Auswahl im Regal „Deutsche Bücher“.

Damit sind wir auch schon wieder bei der Überschrift dieses Blog-Beitrages. Eine Frage der Ehre für alle deutschen Verlage und Grossisten! Für Sie, liebe Buchhandeltreibenden, ist es eine Frage der Ehre, dafür zu sorgen, dass sich das Niveau der angebotenen Literatur bessert. Ich gelobe dafür, regelmäßig dort etwas zu kaufen.

Also, packen wir es an. Es ist gut für das Bild des Deutschen im Ausland – und wer weiß, vielleicht bin ich ja nicht der Einzige, der etwas kaufen und lesen wird.

2 Kommentare

  1. Werter Herr Dr. Ehmer,

    Die Frage der Ehre, die Sie hier an die Verlage und Grossisten richten, wäre vor ein paar Jahren sicher noch dem ein oder anderen Verleger bzw. seinem Vertriebsgeschäftsführer eine ehrenwerte Antwort bis hin zu intensivem Nachdenken über die Lösung des geschilderten Problems wert gewesen. Heute ist für so etwas aber der Verlags-Controller zuständig. Und der schüttelt verständnislos mit dem Kopf. „Rechnet sich nicht, machen wir nicht! Zu wenig kulturbeflissene und zusätzlich auch wertschätzend kaufkräftige deutsche Urlaubs-Ehmers da draußen. Und gedruckt machen wir es schon gar nicht. Wo das komplette deutsche Literaturerbe inzwischen platz- und papiersparend auf jeden E-Reader oder Tablet PC passt.“

    Die positive Wahrnehmung wie auch Verfügbarkeit gedruckter deutscher Qualitätsliteratur im Ausland passt im Hier und Jetzt bei den meisten großen Verlagen einfach nicht ins Kalkulationsschema. Und nur das zählt. Soll das Goethe Institut sich doch darum kümmern … die haben ja Zeit und Budgets für so Spielereien.

    Bücher werden ohnehin immer mehr zum bedruckten Papier oder herunterladbarem Inhalt mit ständig kürzeren Halbwertzeiten. Handelswaren eben, wie Funktelefone, Fernsehgeräte und Kaffeemaschinen auch. Mit Frischegarantie und Trendanspruch statt „oller schwer lesbarer Kamellen“. Zumindest im Breitenmarkt. Was Sie gerade vergeblich im Urlaub gesucht haben, läuft selbst in weiten Teilen des (filialisierten) stationären deutschen Buchhandels inzwischen unter „literarischer Feinkost“. Und die gibt es, wie Sommertrüffel, auch in Deutschland längst nicht mehr an jeder fußläufig erreichbaren Buch-Ecke.

    Normal, in Zeiten, in denen jedes Hupfdohlen- und Krawallbrüder Casting im Fernsehen die fünfzig bis hundertfache Einschaltquote von Literatursendungen erzielt. So was verkauft sich einfach besser, Werbezeiten inklusive. Solange also die unsäglichen Geissens bei RTL 2 nicht öffentlichkeitswirksam die Anna Amalia Bibliothek anmieten, um dort mal eine fette Sommerparty mit ihren Kitzbühler Oligarchen Kumpels zu feiern, oder die Katzenberger kein Verhältnis mit Fritz J. Raddatz anfängt, bleibt für die Qualitätsliteratur und das Interesse daran alles wie es inzwischen ist. Daheim und unterwegs.

    Wenige – so wie Sie – bekommen überhaupt mit, das uns dadurch immer mehr fehlt. Im Ausland aber auch im eigenen Land. Bedauernswert ist das schon, da gebe ich Ihnen völlig recht.

    Herzlichst

    Ihr

    Rolf S. / D.

  2. Lieber Rolf S./D.,

    irgendwie treffen Ihre Zeilen natürlich den Kulturromatiker in mir. Sie kennen ja die Brecht-sche Kulturdefinition „Kultur ist, wie der (ganze) Mensch lebt“. Viele Ausprägungen unseres Lebensverhaltens führen zu neuen Formen dessen, was mit Kultur beschrieben wird. Über weite Strecken ist das nicht meine – und offenkundig auch nicht Ihre – bevorzugte Vorstellung von einem gedeilichen und werteorientierten Miteinander. Aber alles Klagen hilft ja nichts, es ist bekanntlich nichts Gutes, außer man tut es.

    Wenn vieles immer schneller, konsumiger und oberflächlicher wird, dann ist es nach meiner Vorstellung eben gerade auch die Aufgabe verantwortungsvoller Unternehmer, im Rahmen des Leistbaren gegenzusteuern und sich für Werte einzusetzen, an die sie glauben. Ich gebe gerne zu, dass ich weder vom Verlagswesen noch vom Geschäft der Grossisten vertiefte Kenntnisse habe. Man muß ja auch nicht gleich „den Kohlhaas spielen“ und das eigene Unternehmen in den Ruin treiben, um die deutsche Literatur und das Ansehen im Ausland zu fördern. Irgendetwas geht immer, auch in Zeiten hohen Wettbewerbsdrucks.

    Wer sich nur von Quartalszahlen und Excel-Fanatikern drangsalieren lässt, der springt zu kurz. Wer nur an Kosteineinsparung denkt, der eröffnet am Besten kein Unternehmen – dann spart er alle Kosten. Sicher ist ein professionelles Kostenmanagement wichtiger denn je und elementarer Pflicht-Bestandteil einer verantwortungsvollen Unternehmensführung. Aber dies kann nicht komplett an die Stelle eines umfänglich unternehmerischen Handelns treten. Dazu gehört eben mehr, als nur Kennzahlen zu frönen. Zumindest der nicht börsennotierte Mittelstand eröffnet für derartiges Denken und Handeln Freiräume – früher und heute, ein Glück!

    Ihren Gedanken, die Welt zum Besseren mit einer Party in der Anna-Amalia-Bibliothek zu wenden, finde ich amüsant – das regt meine Kreativität an. Hierzu und zu anderen Lösungsansätzen würde ich mich gerne einmal mit Ihnen bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wein austauschen. Sollten Sie Interesse haben und mal in der Nähe sein, dann rufen Sie einfach an.

    Es grüßt Sie herzlichst,
    Jörg Ehmer

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