Megatrends

Googelt man „Megatrend“, stößt man an erster Stelle auf die Definition des „Zukunftsinstituts“: Megatrends sind, so kann man hier nachlesen „jene Trends, die einen großen und epochalen Charakter haben. …  Sie verändern nicht nur einzelne Segmente oder Bereiche des sozialen Lebens und der Wirtschaft; sie formen ganze Gesellschaften um.“ Und, so weiter„Megatrends muss man nicht „voraussagen”, denn sie sind schon da und markieren Veränderungen, die uns schon lange prägen und auch noch lange prägen werden. Megatrends sind Tiefenströmungen des Wandels.“

Elf Megatrends werden hier beschrieben. Vergleicht man dies mit anderen Veröffentlichungen, so kommt man zu ähnlichen Ergebnissen. Jeder einzelne Megatrend bietet seine Chancen und Herausforderungen für Produktgestaltung und Vermarktung. Bei manchen kann man den Weg, den die kommerzielle Umsetzung nehmen wird, schon erkennen. Zum Beispiel der Megatrend „Individualisierung“. Jeder kennt das Beispiel von Marken-Sportschuhen, die man online in individueller Optik zusammenstellen und kaufen kann. Die Kopfhörer von SOL Republic sind ein anderes Beispiel, das zeigt, wie neue Unternehmen und Marken erfolgreich stark auf „Individualisierung“ aufgebaut werden.

Bei anderen Megatrends scheint die Umsetzung komplexer zu sein. Die Definition von „Neo Ökologie“ im Sinne von „umfassender Nachhaltigkeit“ als Megatrend findet allgemeine Zustimmung. Fragt man Menschen auf der Straße, ob wir alle an unserem Verhalten etwas verändern müssen, um den nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen, so erhält man weitgehend klare Zustimmung. Die Meisten sagen auch, dass sie bereit sind, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen. Das ist eine Frage der Ehre, wer möchte schon sagen „mir ist der Planet egal und ich denke nur an mich?

Wer nun aber denkt, man müsse nur nachhaltige Produkte entwickeln und hätte sofort großen Markterfolg, der sollte sich nicht zu früh freuen. Zwischen dem, was Konsumenten sagen und dem, was sie machen, liegen oft deutliche Unterschiede. Ich erinnere mich gut daran, wie ich eine Öko-Kabel-Linie mit initiiert habe, die unter größtmöglicher Beachtung von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten mit geringstmöglichen Schadstoffen hergestellt wurde. Der Mehrpreis war überschaubar. Der Marktforschung nach hätte man uns die Kabel aus den Händen reißen müssen. In der Realität war es nicht so.

Nicht nur zum Kunden, sondern auch nach Innen ist die Vermarktung solcher Produkte ein mühsames Unterfangen. Hier wird der Unterschied zwischen „ich“ und „wir“ deutlich, zwischen Individualisierung (in der Extremform Egozentrik) und dem langfristigen Denken an das große Ganze und Gemeinsame.

In den nächsten Jahren wird es eine der großen Aufgaben für Produktgestaltung und Vermarktung sein, einen Weg zu finden, wie das verbalisierte Bedürfnis nach nachhaltigen Produkten in allen Warengruppen – und nicht nur bei Bio-Lebensmitteln – in Verkaufserfolge umgewandelt wird. Nur wenn dies gelingt, sind Ökologie und Nachhaltigkeit wirklich ein Megatrend. Denn staatlich anordnen läßt sich ein Megatrend nicht – und er ist auch nicht dadurch gekennzeichnet, dass alle es irgendwie gut finden, aber kaum einer wirklich mitmacht.

In den Köpfen und Herzen vieler Menschen ist das Thema offensichtlich angekommen, die Übersetzung in tatsächlich veränderndes Verhalten ist jedoch noch nicht stark ausgeprägt. Dies gilt erst recht, wenn man den Blick über den Tellerrand richtet. Weder in den Teilen der Welt, die in Sachen Wohlstand und Konsum aus eigener Sicht Nachholbedarf haben, ist die Handlungsbereitschaft sonderlich ausgeprägt, noch in den meisten Staaten, die in diesem Sinne garantiert keinen Nachholbedarf haben.

Interessant zu beobachten ist in diesem Zusammenhang “Phonebloks“. Die Idee ist einfach: ein Mobiltelefon, das der Kunde sich selber aus einzelnen Komponenten zusammenstecken kann (Megatrend „Individualisierung“) und das nicht in kurzen Zyklen durch ein komplett neues Telefon ersetzt wird, sondern bei dem nur einzelne Module ausgetauscht werden (Megatrend „umfassende Nachhaltigkeit“). Innerhalb von 24 Stunden wurde das Youtube-Video, mit dem die Idee vorgestellt wurde, über eine Millionen Mal angeklickt. Zwischenzeitlich hat es rund 18 Millionen Klicks. Schnell sammelten sich auf Facebook hunderttausende Likes und Supporter. Getragen von dieser Unterstützung möchte Phonebloks gemeinsam mit Motorola ein solches Telefon in einer offenen Entwicklung realisieren.

Jetzt beginnt die Arbeit: was ist technisch wirklich machbar, wie sieht das Produkt aus, ist es wirklich nachhaltiger, werden sich genügend Entwickler mit realisierbaren Beiträgen beteiligen, wird die Idee die Kraft haben, sich gegen starke etablierte Marken durchzusetzen… Irgendwann wird vielleicht das fertige Produkt an den Markt gehen. Aber dann muss es auch gelingen, diejenigen, die die Idee toll finden und das Video mit „will ich haben“ kommentiert haben, auch wirklich zu Käufern zu machen. Nur wenn dies gelingt, ist der Megatrend ökonomisch erfolgreich umgesetzt. Und nur wenn Entsprechendes vielfältig mit zahlreichen Leistungsangeboten gelingt, ist etwas auch wirklich ein Megatrend – alles andere bleibt Wunschdenken. Das gilt für alle Megatrends, aber offenkundig in besonderem Maße für das Thema Nachhaltigkeit. Also, es ist noch ein langer Weg; aber das Ziel ist ehrenhaft und lohnt der Anstrengung.

2 Kommentare

  1. …… aber offenkundig in besonderem Maße für das Thema Nachhaltigkeit. Also, es ist noch ein langer Weg; aber das Ziel ist ehrenhaft und lohnt der Anstrengung.
    Sehr geehrter Herr Dr.Ehmers,
    diesen Schlusssatz Ihres Blogs “Megatrends” finde ich sehr treffend. Das Thema Nachhaltigkeit in unserer Konsum-Gesellschaft zum “Megatrend” machen, Stepp bei Stepp ,…. mit welchem kleinen Schritt fangen wir an???
    Ihre
    Clara Niederhausen

    1. Guten Tag Frau Niederhausen,

      sehr treffend, jeder sollte für sich im Rahmen seiner Möglichkeiten handeln. Ich habe ja exemplarisch den Schritt “nachhaltigere Kabellinie” beschrieben, das war solch eine Aktivität. How to eat an elephant? One bite at a time!

      Ihr Jörg Ehmer

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert